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Fachbereichsarbeit
Alte Geschichte

BG/BRG Knittelfeld

Befriedigend, Handy Markus, 2018

Charlotte Z. ©
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ID# 82200







Häresie oder wahrer Glaube? Der Kreuzzug

gegen die Katharer in Südfrankreich

(1209-1229)

Abstract

The instinct of searching for the truth, how everything did come about, finding the right ways of morality and placing them within a grid of values of different schools of faith, has constantly drawn intense interest by different socio-cultural groups. The mere existence of theological schools of thoughts inherently leads to subjective conceptions, interpretations and hence deviations within a wider faith community.

Not unlike other religions, the Roman Catholic Church has experienced a struggle between followers of a very dogmatic and a more heretic interpretation of the religious laws.

This paper therefore tries to shed light on the heretical chatars in the sparse part of France, that once were very popular there and came to light as a big threat for the roman catholic church, due to the fact that the sect of the cathars was expanding and kept the most supporters in the french Languedoc. In 1209, pope Innozens III. blamed the catharic community in seduction of the unadulterated Roman Chatholics and called for crusading the sect.

It will be shown what cruel methods were used by the pope’s troops for battling the so cold heretics, and what dark shadow the war has thrown on the Vatican’s honor.

In conclusion it can be said that the war made people questioning about the Roman

Catholic Church’s decisions regarding the catharic history, which should demonstrate the red thread of this script.

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 1

2. Historischer Hintergrund 2

2.1. Die Lage der katholischen Kirche vor den Katharer-Kriegen 2

2.2. Weitere häretische Bewegungen 3

2.2.1. Die Bogomilen 3

2.2.2. Die Waldenser 5

3. Das Land der Ungläubigen 6

3.1. Toulouse: Zentrum der KetzerInnen 6

3.1.1. Das Herrschaftshaus der Raimundiner 7

4. Die Katharer 7

4.1. Terminus der Katharer 8

4.2. Das Wesen der Katharer 9

4.2.1. Der Katharismus 9

5. Anstoß zur Verfolgung? 11

5.1. Der einzige Ausweg 12

5.1.1. Raimund VI 12

5.1.2. Doppeltes Spiel 13

6. Die Katharerkriege 14

6.1. Wer kämpft gegen wen? 14

6.2. Beginn in Beziers 15

6.3. Carcassonne: Der Triumph Montforts 16

6.4. Der lange Weg nach Hause: Raimund VI 18

6.4.1. Die Intrige der Katholischen 19

6.5. Auf den Schlachtfeldern 20

6.5.1. Toulouse 20

7. Aufsicht auf ein Ende? 21

7.1. Frieden? 21

8. Resümee 23

9. Literaturverzeichnis 24


Vorwort

Nicht nur heutigentags, sondern seit geraumer Zeit scheinen die Menschen eine Dringlichkeit nach Isolierung und Abweichung zu verspüren, bekanntermaßen ist es ja in seinem eigenen Milieu, wo jeder der gleichen Ansicht ist, wie man selbst, am schönsten. Dementsprechend ist es auch mit den vielfältigen Religionen dieser Welt, die sich alle einst von einem Weg abgespalten haben.

Die Fragen, wie es dazu kam, warum es zahlreiche unterschiedliche Dogmen gibt und warum einige Menschen für diese Dogmen verfolgt wurden, haben mich letzten Endes zu der Geschichte der Katharer gebracht.

Der katharische Aufstieg, ihr Leidensweg und Fall, drängten mich zur Erkundung ihres Wesens und das Handeln der katholischen Kirche, eine ganze Glaubensgemeinschaft auszulöschen, zu hinterfragen.

Nichtsdestotrotz wäre mir das Schreiben meiner Arbeit ohne den Beistand meines Betreuers MMag. Dr. Markus Handy auf diese Art nie möglich gewesen, wofür ich ihm nochmals meinen herzlichsten Dank ausdrücken möchte.

  1. Einleitung

„Den Reinen [Christen] ist alles rein; den Unreinen aber und Ungläubigen ist nichts rein, sondern unrein ist ihr Sinn sowohl als ihr Gewissen. Sie sagen sie erkennen Gott; aber mit den Werken verleugnen sie es, sintemal sie es sind, an welchen Gott Greuel hat, und gehorchen nicht und sind zu allem guten Werk untüchtig.“1

Diese vorwissenschaftliche Arbeit gewährt einen Einblick in eine der spektakulärsten Glaubensgemeinschaften aus dem mittelalterlichen Südfrankreich: Das Volk der KatharerInnen. Noch nie war eine häretische Bewegung so mächtig geworden, wie die ihre. Dabei wird weniger ihr Glaubenssatz oder ihr Wesen im Vordergrund stehen, sondern der gegen sie im 13. Jh. geführte Kreuzzug, den die katholische Kirche inszenierte, sowie die Beweggründe für diesen.

Das Ziel ist es, das harte Vorgehen der katholischen Kirche gegen den in Südfrankreich weitverbreiteten Katharismus zu hinterfragen, sowie Antworten auf die Fragen, ob die KatharerInnen fürwahr als häretisch identifiziert werden konnten oder nicht und ob die Auslöschung einer ganzen Glaubensgemeinschaft zu rechtfertigen ist, zu finden.

Um dieses Ziel zu erreichen, diente mir ausschließlich Primärliteratur als Informationsquelle, durch deren Ausführungen mir bedeutungsvolle Kenntnisse über die Lebensführung der KatharerInnen, über den Katharismus selbst, sowie über den Verlauf des Albigenser-Kreuzzugs, zuteil wurden. Besonders viel Informationen lieferten mir die Bücher von Quensel und Oberste, die in dieser vorwissenschaftlichen Arbeit als Hauptliteratur fungieren.

Will man verstehen, wie es zum Ausbruch des Albigenser-Kreuzzugs kam, ist es zuerst notwendig, sich zuerst mit der Lage der katholischen Kirche im mittelalterlichen Südfrankreich beziehungsweise mit der Lebensweise der KatharerInnen und dem Katharismus an sich auseinandersetzen, um ein Verständnis für den Kreuzzug zu entwickeln, was vorab im ersten, zweiten und dritten Kapitel erarbeitet wird.

In den nächsten drei Hauptkapiteln wird der Verlauf des Albigenser-Kreuzzugs von ersten Anzeichen der Verschwörung gegen das Volk der KatharerInnen bis zum bitteren Ende der Kriegshandlung i thematisiert. Im Übrigen werden am Schluss dieser Arbeit ein Resümee, wie auch ein Literaturverzeichnis angeführt.

  1. Historischer Hintergrund

Trotz etlicher Bemühungen, auf alle offenen Fragen eine Antwort zu finden, liegt bis zu diesem Zeitpunkt ein großes Geheimnis über dem Volk der KatharerInnen. Dabei lassen Legenden und Mysterien, die dieses Volk mit sich trug, ihre Geschichte noch heute lebendig erscheinen.2

    1. Die Lage der katholischen Kirche vor den Katharer-Kriegen

„Ich aber sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeinde, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.“3 Wie folgt nahm die Geschichte der catholica ecclesia3mit dem im Zitat genannten Missionar als Fundament ihren Lauf. Obwohl expandierende Autorität und Obrigkeit, sah sich die katholische Kirche bereits im 2. Jahrhundert mit Kontroversen über die „wahrhaftige" Lehre Gottes und der Christologie konfrontiert, ferner häuften sich Abspaltungen und Exkommunikationen.

Zweifellos würde sich die angebliche Unteilbarkeit der Kirchengemeinde, welche die Katholischen immer zu demonstrieren versuchten, nun doch in vielerlei Scherben am Boden verteilen.3

Doch warum kehrten so viele Menschen der katholischen Kirche den Rücken? War es wegen der Kirchensteuer? Oder suchten die Menschen wegen der enormen Unterdrückung Trost bei anderen Religionen? Während die Obrigkeit der Katholischen barmherzige Worte predigte, jedoch ihr Handeln diesen wiedersprach, trieben die Taten jener immer mehr Menschen, die sich nach der selbstlosen Kirche sehnten, die sie zu Anfang war, in die Arme der HäretikerInnen.

Da der Klerus keinen großen Drang verspürte, einige Neuerungen in der Kirche zur damaligen Zeit einzuführen, breitete sich eine Welle der Häresie über die Länder des Papstes aus, die die KetzerInnen in einem verlockenden Licht in den Augen der Gläubigen erstrahlen ließ. Wie heißt es in der Bibel so schön: „Aber dagegen weh euch Reichen denn ihr habt euren Trost dahin.“4Geblendet von ihrem Reichtum, sah die Kirche die Armut ihrer Untertanen nicht mehr.

Gesellschaftsschicht finden, die es letztlich doch wagten von der „verbotenen Frucht“ zu kosten.4

    1. Weitere häretische Bewegungen

Der Grundsatz aller religiösen Splittergruppen war der, so weit wie möglich von der Lehre der KatholikInnen abzuweichen. Vergleicht man andere häretische Bewegungen mit der katharischen, finden sich die meisten Gemeinsamkeiten mit der der Bogomilen, slawisch auch „Gott Liebende“5 genannt; eine Sekte aus Thrakien (Bulgarien), die erstmals am Beginn 11. Jh. Aufmerksamkeit auf sich zog.6

      1. Die Bogomilen

Wie die KatharerInnen, predigten die „Gott Liebenden“7 den Dualismus, welcher sich als namhaft zur damaligen Zeit erwies. Die Vorstellung der Katholischen, von einem einzigen guten Weltschöpfer Jehovah, der sowohl im Alten als auch im neuen Testament der gleiche war, abzustammen, war den Bogomilen allgemein sinnwidrig; denn all das Beträchtliche, muss von einem bösen Weltschöpfer erschaffen worden sein, zumal die Welt der Menschen schlecht war und in ihr nur Unrecht aufzufinden war.

Das Jenseitige, Immaterielle jedoch, wurde vom obersten Erlöser, dem Guten Gott erschaffen, dem sein jüngster Sohn, Jesu, Retter der auf Erden gefangenen Seelen, nebenher ist. Der Katharismus wird später noch genauer beleuchtet werden.8

Dahingehend lassen sich die belangvollsten Fakten der bogomilischen Lehre heute im Katharismus nachweisen, woraus man schließen kann, dass die Bogomilen durch delegierte Missionare in das alte Okzitanien bereits vor langer Zeit mit den Katharern in Verbindung traten und, höchstwahrscheinlich, sie der Grund für den Aufstieg der

dualistischen Lehre waren.9

      1. Die Waldenser

Benachbart den Katharern war ein weiterer ketzerischer Zusammenschluss herangereift, dessen Mitglieder „ihren Namen nach einem Kaufmann namens Valdes aus Lyon“10, erhielten.Weil sich das Leben eines Waldensers nach der Armut richtete und dessen Lehre sich immer noch im christlichen Rahmen hielt, wurde ein Anhänger dieser Gemeinschaft nicht sofort als Ketzer oder Ketzerin verurteilt.

Dies änderte sich schlagartig, als das Waldensertum immer populärer im Süden Frankreichs wurde und sein

Heim „vor allem in Frankreich, der Lombardei, Bayern, Österreich und Böhmen“11 fand. So entwickelte sich die waldensische Sekte neben dem Katharismus zum größten Dorn im Auge der katholischen Kirche.12

  1. Das Land der Ungläubigen

Aber wie und woher kam diese dualistische Weltansicht, die allmählich die Oberhand über die KetzerInnen übernahm? Freilich unstrittig ist die Interaktion zwischen Orient und Okzident, was aller Voraussicht nach der bogomilischen Lehre die Türen zum

Bemerkenswert ist, dass der mittelalterliche Süden Frankreichs eine weitgehend unabhängige Stellung einnahm, in einer Umgebung verschiedener Königreiche, die unter absoluten kirchlichen Gehorsam standen. Der Süden wusste bereits zu Zeiten der

KatharerInnen die Trennung von Kirche und Staat zu pflegen. „Religion wurde als Privatsache des Einzelnen betrachtet, um den Zusammenhalt des Gemeinwesens nicht zu stören.“15

    1. Toulouse: Zentrum der KetzerInnen

Im Gebiet des südlichen Languedoc, in dem seit Jahrhunderten Strömungen verschiedenster Kulturen aufeinander prallen, befand sich im Westen des südlichen Frankreichs die Grafschaft Toulouse, mit ihrer Hauptstadt Tolosa16,von welcher aus die Ketzerbewegung der KatharerInnen ausgehen sollte. Wie uns Oberste zu schildern versucht, war Toulouse am Anfang des 13. Jahrhunderts eine begehrte Handelsstadt in einem Land der Aufgeschlossenheit, wo man jedem Menschen Toleranz gegenüber seiner Religion und Kultur zukommen ließ, wo nur der bürgerliche Zusammenhalt an vorderster

Front stand. Auch die Grafen von Toulouse waren der „Tolosaner Bürgerschaft“17 ziemlich gutmütig eingestellt und gewährten ihnen oft bestimmte Vorrechte, zum Beispiel die Erlassung von Steuern, woraus sie sich unbedingte Treue der Bürgerinnen und Bürger erhofften. Natürlich war es diese Toleranz, die im Land waltete, mitunter ein wesentlicher Beweggrund für die hohe Zahl an häretischen Vereinigungen im südlichen Teil des Landes.18

      1. Das Herrschaftshaus der Raimundiner

Zu jener Zeit des Albigenser-Kreuzzuges wurde Südfrankreich größtenteils von der

„raimundinischen“ Herrschaftsfamilie regiert, deren Gebiet man als „Grafschaft von Toulouse“ kannte. 19 Die dem Katholizismus verpflichteten Grafen von Toulouse beteiligten sich an einigen Kreuzzügen der Kirche zur Befreiung des Heiligen Grabes von den sogenannten „infideles“20, den Juden und Muslimen, währenddessen in ihrem eigenen Land die Häresie ironischerweise an allen Ecken anzutreffen war.

Raimund wird an dieser Stelle nur Raimund VI.22 erwähnt, der „Hauptdarsteller in der

Albigenser-Tragödie“23, der in Folge noch genauer behandelt wird.24

  1. Die Katharer

Erst verspottet, später verfolgt und schließlich ausgelöscht, das ist die Geschichte der Katharerinnen und Katharer. Ihr Aufstieg und Fall, die vielen Narben, die diesem Volk zugefügt wurden, all das kennzeichnet die spannenden Erzählungen um sie. Aber wer waren die KatharerInnen nun wirklich?25

    1. Terminus der Katharer

Gemischte Gefühle empfanden die Menschen, wenn sie den mystischen Namen, der diesem Volk beigelegt wurde, zu Ohren bekamen. Was heißt es, sich „KatharerIn“ zu nennen? In mittelalterlichen Zeiten wurden den Katharern Namen von A bis Z verliehen, sogar wurden sie einfach mit Namen anderer Häretiker angesprochen und in Folge immer wieder mit anderen Sekten verwechselt.

Sprach man aber von den „chatari“26, konnte es nur einen Volksstamm geben, der damit gemeint sein konnte. Die einzig beständige Bezeichnung für das katharische Volk, die weltweit bekannt war, lässt sich im Lateinischen und im Griechischen wiederfinden, etwa catus, lateinisch „Katze“, oder catarsis, griechisch „Reinigung“27.Folgt man den Theorien der Historikerinnen und Historikern, bevorzugten die KatharerInnen die griechische Version ihres Namens und etikettierten sich selbst als „gereinigte“ Christen.

Im okzitanischen Languedoc machte man es sich einfach und betitelte die Katharer als die „Albigenser“29. In diesem Fall wurde die Ortschaft Albi, das zu Hause der Katharer, ihr Namensgeber und wurde bald im ganzen Süden Frankreichs eingebürgert. In der katholischen Kirche verstand man unter der Bezeichnung Albigenser „die Häretiker des Toulousain.“31

    1. Das Wesen der Katharer

Um besseres Verständnis über den Tumult der katholischen Kirche zu erlangen, werfen wir nun einen Blick auf das Dogma der Katharer. Vorweg sollte angemerkt werden, dass sich auch im katharischen Glaubenssystem die Meinungen spalteten und eben diese diversen Ansichtsweisen Gruppierungen im Katharismus zur Folge hatten, vergleichbar mit den Abspaltungen der Evangelischen oder Orthodoxen vom Katholizismus; aber hier sind nur jene dualistischen Katharer, die italienischen Albaneser und südfranzösischen Albigenser relevant.30

      1. Der Katharismus

Mit dem bereits in der Antike vertretenen Dualismus und den Berieselungen verschiedener Sekten, von denen der meiste Einfluss der Bogomilen erwiesen worden ist, bildete sich eine komplexe Glaubensrichtung heraus: der Katharismus. Wie bei den Bogomilen, beruft sich die katharische Lehre auf den Gegensatz von Gut und Böse und folgt dem Prinzip zweier Götter, das heißt einem guten Urheber des Lichtes, diesem feindlich gesinnt, ein böser Demiurg, welcher die irdische Welt sein Eigen nennt.

Die Verleugnung vom einzigen Jehova und die Verwerfung des Alten Testaments aber waren nicht die schlimmsten Brüskierungen gegenüber den Katholiken. Das Höchstmaß der Provokation war die Beharrung auf den Aspekt, dass Christus tatsächlich nie gestorben wäre, zumal dieser einen ätherischen Leib trug und dadurch keinen Schmerz spüren konnte, allerdings diesen vortäuschte, um den Gläubigen die Erlösung des guten Vaters zu verdeutlichen.

In anderen Worten, Jesu konnte weder von der Jungfrau Maria, welche übrigens nur als ein Kanal zur menschlichen Welt diente, geboren werden, noch am Kreuze gestorben sein, denn die Reinheit des Göttlichen kann keinen vom Satan erschaffen Leib annehmen oder durch menschliche Art und Weise in die Welt des Lucifer, also auf die Erde, kommen. Demnach soll Christus ebenfalls nicht wirklich auferstanden sein, was jedoch, außer Frage, die Basis der christlichen Lehre darstellt.31

Zudem ächteten die Katharer die Missetaten der Katholischen, etwa den Verzehr von tierischer Nahrung, das menschliche Triebleben oder die Verehrung des Kreuzes sowie aller heiligen Relikte, zutiefst. Die Begründung für ihre Antipathie gegenüber den katholischen Bräuchen, fanden sie abermals in ihrer Schöpfungstheorie, denn laut ihrem Dogma diente man durch Befriedigungen menschlicher Begierden, was diese katholischen Sitten für sie waren, ebenso nicht dem Vater, sondern nur dem Demiurg.32

An dieser Stelle drängen sich unzählige Fragen auf: Wie und wo wurde diese schwer fassbare Religion mit tausenden Anhängern praktiziert, ohne mitten im Geschehen von den Katholischen entdeckt zu werden? War ihre Kirche ähnlich der ihrer katholischen Feinde? Was verstanden die Katharer überhaupt unter „gläubig sein“?35

Trotz seines abtrünnigen Rufes blieb der Katharismus nicht nur in Südfrankreich beständig, sondern fand im gesamten Abendland aufgeschlossene Herzen und das nicht bloß bei den Einkommensschwachen, wie die Katholischen zu behaupten pflegten.

„Unter den genannten 146 Personen waren allein 27 Ritter“44 in einer Großstadt des Languedoc, schreibt Hanssler. Wenn sich sehr bewanderte Menschen in ihrer Anhängerschaft, ja selbst Geistliche aus katholischen Klöstern und Kirchen, finden ließen, verbarg sich freilich mehr dahinter, als alleinige Unzufriedenheit der Menschen mit der kirchlichen Regierung36.

Durch ihre stetig wachsende Mitgliedschaft zählte man bald 16 katharische Kirchen im südlichen Frankreich, plus vier bekannte Bischofssitze, nämlich „Albi, Toulouse, Carcassonne und Agen.“ 33 Im Unterschied zu den Katholischen aber lehnten die KatharerInnen ein kirchliches Oberhaupt – nehmen wir den Papst der Katholiken als Beispiel, der über alle Fragen in der Kirche bestimmte – ab. Glaubensfragen oder

Der einzige Reichtum eines Katharers war nichts anderes als sein Glaube. „Sie lebten überaus asketisch und sie waren arm“36, weshalb sie auch prachtvolle Kirchenbauwerke dezent ablehnten und sich stattdessen in katharischen Anwesen von den credentes, die Anhängerschaft des Katharismus, zusammenfanden, damit gemeinsam gebetet werden konnte. Wie Quensel erwähnt, konnte man im Katharismus nie ein perfekter Gläubiger werden, ohne das Consolamentum zu erlangen.

Nur besagte „Vollkommene“41 waren vollkommen, da nur sie bereits „reingewaschen“ waren und somit die Billigung besaßen, das von der Sekte begehrte Consolamentum, eine Lossprechung aller Sünden, wobei dem Sterbenden durch eine Handauflegung das Ende der ewigen Gefangenschaft in dieser satanischen Welt gewährt wird, zu erteilen. Drum hielten sich die „normalen“ KatharerInnen nicht streng an Fastenzeiten, an das Verbot der Mehrung und an andere Regeln, die der Katharismus vorschreibt; man würde auf alle Fälle sein Consolamentum erlangen können, weil jede und jeder Gläubige seine Erlösung am Sterbebett von den Vollkommenen bekomme, wenn er denn darum bitte würde.37

Was aber bewegte die katholische Kirche dazu, einen Kreuzzug einzuleiten und damit die Verantwortung für den Mord an Abertausenden zu übernehmen? Wie oben erwähnt war Südfrankreich dicht besetzt von ketzerischen Zusammenschlüssen und dennoch wurde ein Kreuzzug selten als letzten Ausweg betrachtet, schließlich verstand man unter Häretikern und Ketzern trotz ihrer abgekommenen Lehren Menschen der christlichen Gemeinde.

Was unterschied die Katharer so vehement von den anderen?38

    1. Der einzige Ausweg

Dass man im okzitanischen Südfrankreich während einer Durchreise auf Ketzer stoßen würde, war so selbstverständlich wie das Amen in der katholischen Kirche. Allerdings war sich die katholische Obrigkeit im Klaren, dass die Aussicht auf eine Verdammung durch die Kirche oder geschickte katholische Prediger ausreichen würden, um die Häretiker zu bekehren, da man sich vor der Kirche fürchtete und die meisten Irrglauben nur kurze Zeit überlebten.

Spricht man von den „meisten“, trifft das im Fall der Katharer jedoch nicht im Geringsten zu, denn sie besaßen etwas, was den Katholischen allmählich aus den Händen rutschte: Die Zuneigung der Bürgerschaft.54

Als Raimund VI. seine Herrschaft über die Grafschaft Toulouse antrat, wusste er nicht, dass dieser ein baldiges Ende vorausbestimmt war. Seit Anbeginn seiner Herrschaft war er der Kirche aufgrund seiner Untätigkeit gegenüber dem Volk der Katharer negativ aufgefallen und prompt war er zur neuen Zielscheibe des Papstes geworden; denn wenn es ein Gräuel für die Christeneinheit gab, dann war es der kirchliche Ungehorsam.

Papst Innozenz III. beabsichtigte zunächst eine Lösung im friedlichen Sinne und sandte seine Legaten, darunter den Zisterzienser-Mönch Peter von Castelnau, in das „ketzerische“

Languedoc, um die „Verirrten“ wieder auf den rechten Pfad zu führen, doch blieben jegliche Versuche der Prediger ohne Erfolg. Was nun? Wie sollte man gegen Raimund vorgehen? Noch immer wurde kein direktes Verbrechen gegen die katholische Obrigkeit begangen, noch dazu war der Graf von Toulouse aufgrund seiner enormen

Herrschaftsgebiete ganz und gar kein harmloser Gegenspieler im Falle eines Kreuzzuges. Für Innozenz III. stand fest, dass Raimund VI. das einzige noch zu bewältigende Hindernis war, denn aus seiner Sicht war die Umgehung eines Kreuzzuges fast unmöglich geworden. Er, der Beschützer der KatharerInnen, musste aus dem Weg geräumt werden. Unerwartet sollte ein entscheidendes Ereignis dem Papst alle geschlossenen Türen öffnen: Die Ermordung des Peter von Castelnau.39

„Die höchste Kirchenstrafe für einen weltlichen Fürsten […] ging im Mittelalter mit einer gezielten Desintegration seiner politischen Herrschaft durch die Kirche einher.“40 Dieses Schicksal sollte auch den Grafen von Toulouse nicht verschonen. Nach der Ermordung des Zisterziensers sah der Papst die Fäden wieder in seiner Hand, scheute auch nicht davor zurück, die Ermordung seines Predigers politisch für sich zu gebrauchen und lenkte die Schuld auf Raimund VI. Der bereits mehrmalig exkommunizierte Graf musste zur demütigenden Buße öffentlich in Saint-Gilles41 antreten, sich der Kirche völlig unterwerfen, um wieder von politischer und kirchlicher Seite akzeptiert zu werden.

Nichtsahnend vom Vorhaben der Kirche glaubte er die Situation bereinigen zu können und seinem geliebten Okzitanien einen Kreuzzug zu ersparen, dabei konnte er nichts mehr für seine Bevölkerung tun. Raimund VI. befand sich im Zwiespalt. Sollte er seine Existenz aufs Spiel setzen? Was wenn ihm jeglicher Besitz, das heißt all seine Grafschaften, aus den Händen gerissen wird und er ohne materielles Gut dasteht? Sind die KatharerInnen dieses Risiko wert? Letzten Endes gab er dem Druck der Kirche nach und räumte den Weg für den Albigenser-Kreuzzug, bei dem er selbst unter Erlassung des


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