word image
Presentation

Inter­pre­ta­tion: Daniel Kehlmann: Ruhm – 9. Kapitel

1.738 Words / ~6 pages sternsternsternstern_0.2stern_0.3 Author Gerhard M. in Feb. 2016
<
>
Upload File
Genre/category

Presentation
Literature

Daniel Kehlmann Ruhm Interpretation

University, School

Max-Delbrück Oberschule Berlin

Grade, Teacher, Year

12th grade A-

Author / Copyright
Gerhard M. ©
Metadata
Format: pdf
Size: 0.11 Mb
Without copy protection
Rating
sternsternsternstern_0.2stern_0.3
ID# 53337








Daniel Kehlmann: Ruhm 9. Kapitel

Wir werden uns in unserem Vortrag zum 9. Kapitel von Daniel Kehlmanns Episodenroman auf zwei Schwerpunkte konzentrieren:

  1. Figurenkonstellation

  2. Stilistische Mittel, die der Erzählung der Geschichte bzw. der Darstellung der Personen dienen.

Zur Einführung möchten wir euch kurz den Inhalt dieses Kapitels in Erinnerung rufen:

Im 9. Kapitel des Romans begleitet der Autor Leo Richter seine Freundin Elisabeth, eine Ärztin, im Rahmen ihres Engagements bei „Ärzte ohne Grenzenauf einem humanitären Einsatz in einem nicht näher benannten Kriegsgebiet in Afrika.

Der Kerngedanke dieser Episode wird bereits im Titel deutlich: GEFAHR! Und dieser gemeinsame Ausflugin das afrikanische Kriegsgebiet ist für die beiden Protagonisten in diesem Romanabschnitt in doppeltem Sinne gefährlich:

einmal, da sie natürlich ihr Leben aufs Spiel setzen, wenn sie in ein Kriegsgebiet reisen

und ein zweites Mal droht Leo Richter und Elisabeth emotionale Gefahr, denn die beiden begeben sich mit ihrer Reise in die Gefahr, dass ihr schlimmster Albtraum zur Realität werden könnte! Wie das gemeint ist? Nun, Leo Richter würde das zwar niemals zugeben, aber seine genialen Ideen, die ihm die unumwundene Bewunderung der Öffentlichkeit einheimsen, beruhen schlicht und einfach auf der Tatsache, dass er sich alle Menschen rund um sich, mit ihrem Charakter, ihrem Verhalten, ihrer Denkweise, ja sogar deren Erlebnisse zu eigen macht und daraus seine Protagonistin Lara Gaspard gestaltet. Ja er steckt sozusagen alle Menschen aus seiner Umgebung in seine Heldin Lara Gaspard. Aber selbst wenn dies der Öffentlichkeit, der Welt ein Geheimnis bleibt, so kommt Leo Richter aber bei seiner Freundin Elisabeth nicht mit diesem Kunstgriff davon! Sie erkennt sehr wohl, dass Leo Richter das Leben der Menschen in seinem Umkreis sozusagen aufsaugt und dann Gott ähnlich, also wie dieser Adam seinen Atem eingehaucht hat, um diesen zum Leben zu erwecken, blästLeo Richter seiner Lara Gaspard Leben ein, erweckt seine literarische Gestalt zum Leben.

Leo Richter muss in diesem Romanabschnitt auch wenn es nur seineGeschichte ist, erkennen, dass Elisabeth ihn durchschaut, seinen Trick, an geniale Ideen zu kommen, erkannt hat und ihn verlassen wird. Seine vielgepriesene geniale Kreativitätlöst sich also zumindest mal vor Elisabeth in Schall und Rauch auf; was das kreative Genieall die Jahre über betrieben hat, ist nichts anderes als Kopieren und Kombinieren.

Wie diese Gefahrendet? Nun, der Leser bleibt mit dem Eindruck zurück, dass dieses Kapitel in doppeltem Sinne den Anfang des Endes bedeutet:

Einmal für die Beziehung Leo Richter Elisabeth und ein zweites Mal für Leo Richter als Schriftsteller.

Dem aufmerksamen Leser wird bereits aus dem Titel des 9. Kapitels klar, dass dieses inhaltlich eng mit dem 2. vernetzt sein muss, da ja beide denselben Titel tragen.

Nun aber zur Figurenkonstellation: Also, wer sind die Romanfiguren, die in dieser Episode vorkommen?

Da sind mal wie bereits erwähnt Leo Richter und seine Freundin Elisabeth. Dazu kommen noch Lara Gaspard, also die Protagonistin in Leo Richters literarischen Werken und Frau Riedergott. Während Lara Gaspard bereits dreimal in die Handlung einer Episode eingetreten ist konkret in der 2., 3. und 7. handelt es sich für Frau Riedergott bloß um den 2. Auftritt: Sie kam bis zu diesem Zeitpunkt nur im 2. Kapitel vor; da war sie die Repräsentantin eines deutsche Kultusinstituts, die Leo Richter und Elisabeth bei einer Station seiner Vortragsreise empfangen hat.

Die Autorin Maria Rubinstein, die Hauptperson im 5. Kapitel, und Miguel Auristos Blancos, Hauptfigur im 6. Kapitel, in treten selbst nicht auf, sind aber Thema der Handlung.

Das 9. Kapitel des Romans ist also auch von der Personenkonstellation her mit den anderen verknüpft.

Wie lässt sich nun das 9. Kapitel von der Figurenkonstellation her interpretieren? Nun, die gemeinsame Reise von Leo Richter und Elisabeth in ein afrikanisches Kriegsgebiet wird zum Wendepunt in ihrer Beziehung!

Für Leo Richter und Elisabeth wird diese Reise zum Schlüsselerlebnis, was die Figurenkonstellation anbelangt, denn diese Reise ist ein Ruck, eine Verschiebung in der jeweiligen Rolle: Während Elisabeth im 2. Kapitel gewissermaßen Leos Beschützerin war, ihn vor Unannehmlichkeiten so weit wie möglich abgeschirmt hat oder zumindest stets versucht hat, seine Befürchtungen zu zerstreuen, so hat sie nun in ihm eine Art Partner, der handelt, nicht geführt werden muss: Erst danach war es (Elisabeth) zu Ohren gekommen, dass (Leo) an ihrem letzten Tag (in der Hauptstadt) ihren Fahrer heimlich bezahlt hatte, ihn durch jene Slums zu fahren, wo gerade die schlimmsten Ausschreitungen stattgefunden hatten.

Die Reise ist das erste Mal in ihrer Beziehung, dass Elisabeth Leo in ihrLeben lässt! Dieser Schritt verändert die Beziehung der beiden: Elisabeth “öffnetsich Leo, lässt ihn Anteil haben. Dieses Verhalten steht in starkem Kontrast zum 2. Kapitel, wo sie sich ins Badezimmer einschließt und von dort aus ihre Telefonate führt oder Leo mit einem Frage besser nicht. Eine lange Geschichteabfertigt, als dieser wissen will, was sie am Telefon bespricht.

Im 9. Kapitel begegnet uns eine andere Elisabeth: Sie ist nicht länger bereit, Leo Richter abzuschirmen, sondern will ihm das richtige Leben endlich zeigen, [...] weil sie neugierig war, wie er sich unter wirklichem Druck verhielt, [..] vielleicht aber auch bloß, weil sie ihm keinen Wunsch abschlagen konnte.

Aber die Veränderung in der Figurenkonstellation ist nur Leos Wunschdenken, nicht Realität, denn der Leser erkennt, dass die Reise nichts weiter als eine Geschichte von Leo Richter ist, nicht in der realen Welt stattfindet: Die Frau mit braunen Haaren, schlank und groß gewachsen, von außergewöhnlicher Schönheit, die zusammen mit Frau Riedergott aus einem der Häuser tritt, ist Lara Gaspard, Leo Richters Schöpfung!

Doch Elisabeth ist stark und Leo weiß das. Deshalb kann er selbst in seinerGeschichte nicht umhin, Elisabeth versuchen zu lassen, ihre Position der Überlegenheit zurückzuerobern: Und ich werde dich verlassenerklärt sie kurz und knapp, als sie erkennt, dass sie in eine von Leos Geschichten gekommen ist. Doch der neueLeo, also der Held in seiner Geschichte, weiß sich zu wehren: Aber nicht jetzt. Nicht in dieser Geschichte. In seiner fiktiven Welt ist ja er der Federführer.

Kehlmann setzt aber nicht nur in diesem Schlagabtausch, der auf Minimalsätzen beruht, geschickt auf stilistische Mittel, um die Wirkung dieser Episode, der Kreuzung von Realität und Fiktion bzw. Traum in der Beziehung Leo Elisabeth zu steigern:

Elisabeths Verwirrung in Anbetracht der Tatsache, dass ihr ein neuer, ein ihr unbekannterLeo gegenübersteht, kommt gut in den vielen Fragen, die ihr durch den Kopf gehen, zum Ausdruck: Was in aller Welt ging hier vor? Woher nahm (Leo) plötzlich diesen Mut?, Was glaubte (Leo) denn, hielt er sich jetzt für André Malraux?

Wie Leo in seiner neuenRolle als Elisabeth ebenbürtig aufgeht und seine Identität als Schriftsteller scheinbar hinter sich gelassen hat, geht aus der lapidaren von Ellipsen dominierten Art hervor, mit der er sich abwertend über einen Literaturpreis äußert: Ich habe gesagt, an solchen Blödsinn kann ich jetzt nicht denken [...] kann mich jetzt einfach nicht darum kümmern.

Poetische Naturbeschreibungen sind ein Kunstgriff, mit dem Kehlmann dem Leser durch die Blume zu verstehen gibt, dass es sich bei der Reise um kein reales, sondern ein aus Leo Richters Feder stammendes Ereignis handelt: Der Wind strich (Leo und Elisabeth) durch die Haare; es roch nach Erde, die Sonne stand riesenhaft über ihnen; so hell war es, dass man die Augen zusammenkneifen musste und alle Dinge sich in Licht auflösten [...] aus der Ferne hörte (Elisabeth) dunkel rollenden Donner.



Zum Abschluss möchten wir noch kurz darüber sprechen, warum Daniel Kehlmann auch im 9. Kapitel den Erfolgsautor Miguel Auristos Blancos auftreten lässt: Wie auch in den Kapiteln 1, 2, 3, 4 und 7 ist Blancos auch im 9. Kapitel nur eine Nebenfigur; konkret kommt er nur in Form eines seiner Bücher vor. Einer der Kollegen, mit denen Elisabeth auf dieser Reise unterwegs ist, liest M. Aristos Blancos Lart d’être soimême, auf Deutsch Die Kunst, sich selbst zu sein. Und genau darum geht es in diesem Kapitel: Leo Richter will sich selbst sein. Deshalb schreibter die Geschichte von dieser Reise, denn in seinerGeschichte kann er sich selbst sein. Das Problem ist aber, dass sich sein Ich, also die Art, wie er sich sieht, nicht mit der Realität deckt! Er ist der Leo Richter aus dem 2. Kapitel, der eitle, neurotische Schriftsteller, der ständig und vor allem Angst hat, und nur auf seinen Ruhm bedacht ist. Wie Kehlmann dies dem Leser zu verstehen gibt? Wieder durch geschickten Einsatz von stilistischen Mitteln: Leo Richter will der mutigeHeld sein, der sich uneigennützig in Gefahr begibt. Aber der alteLeo lässt sich nicht so einfach abschütteln: Hier abstürzen. Das wäre was. Macht sich gut in der Biografie. Verschollen in Afrika. Er will nicht so denken, aber er muss, denn es ist seine Natur. Deshalb lässt Kehlmann ihn in Ellipsen und im Konjunktiv II sprechen.

Das 9. Kapitel von Daniel Kehlmanns Episodenromans Ruhmist sicherlich ein schönes Beispiel für den Ruck in der Figurenkonstellation, zu dem es kommen kann, wenn einer von zwei Menschen auf einmal die Möglichkeit hat, das Steuer in die Hand zu nehmen, die Situation nach seinem Gutdünken zu steuern, wenn auch nur im Traum.



























, , 12d

Daniel Kehlmann: Ruhm – 9. Kapitel (Gefahr)

Inhalt:

Leo Richter & Elisabeth auf humanitärem Einsatz in einem afrikanischen Kriegsgebiet


Kerngedanke:

Gefahr:

  • physisch: Kriegsgebiet

  • emotional / psychisch:

  • Elisabeth: von Leo Richter in eine Geschichte einverleibt  Albtraum wird wahr

  • Leo Richter: von Elisabeth “durchschaut“  nicht länger das „kreative Genie“, sondern bloß ein “Kopierer & Kombinierer“ der Realität um ihn

    Anfang vom Ende in doppeltem Sinn:

  • Beziehung Leo Richter & Elisabeth

  • Leo Richter, der Schriftsteller



    Figurenkonstellation:

  • Personen der Handlung:

  • Hauptfiguren (HF)

  • Leo Richter (HF in 2, NF in 3, 5, 7)

  • Elisabeth (HF in 2)

  • Nebenfiguren (NF)

  • Lara Gaspard (NF in 2, 3, 7)

  • Frau Riedergott (NF in 2)

  • Maria Rubinstein (HF in 5, NF in 2)

  • Miguel Auristos Blancos (HF in 6, NF in 1, 2, 3, 4, 7)

    enge Verknüpfung mit anderen Kapiteln

  • Leo Richter (LR) & Elisabeth (E)

  • Verschiebung der Rollen Schlüsselerlebnis für Beziehung

  • Leo Richter nicht länger unter Elisabeths Schutzschirm, sondern Initiator

  • Elisabeths Bereitschaft, Leo in ihrLeben zu lassen

     „Lart d’être soimême(= Die Kunst sich selbst zu sein) als Wendepunkt in

    der Beziehung





    Stilistische Mittel:

  • Minimalsätze bzw. Ellipsen

    E: „Und ich werde dich verlassen“ – LR: „Aber nicht jetzt. Nicht in dieser Geschichte.“ (S. 201)

    Ende der Beziehung für LR zu unvorstellbar, um es „auszuformulieren“



  • rhetorische Fragen

    E: „Was in aller Welt ging hier vor?“ „Woher nahm (Leo) plötzlich diesen Mut?“ (S. 196)

    Es Verwirrung in Anbetracht von LRs Veränderung



  • Poetisierung der Natur

    Der Wind strich (Leo Richter und Elisabeth) durch die Haare; es roch nach Erde, die Sonne stand riesenhaft über ihnen; so hell war es, dass man die Augen zusammenkneifen musste und alle Dinge sich in Licht auflösten [...] aus der Ferne hörte (Elisabeth) dunkel rollenden Donner.“ (S. 195)

    Reise nur fiktiv / bloß eine von LRs Geschichten











  • Swap your papers