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Einleitung: Islam und Europa - Wie passt das zusammen?


Um eine solche Frage beantworten zu können, muss man sie zuerst mal richtig verstehen. Das ist hier aber nicht so einfach, denn beide Begriffe, „Islam“ und „Europa“, haben viele Bedeutungen. Sogar das Wort „und“ kann man verschieden interpretieren: Islam und Europa als eine Summe, als ein Nebeneinander oder als ein Miteinander? Bedeutet die Frage „Wie passt das zusammen?“, ob sie nurunter bestimmten Bedingungen zusammenpassen oder ob sich beide wie bei einem Puzzle ergänzen?

Um was handelt es sich beim „Islam“? Um eine Religion oder um eine politische Einstellung? Um eine Religion des Friedens oder des Terrors oder nur um eine Kultur mit ganz anderen Werten als unseren?

Auch „Europa“ ist ein mehrdeutiges Wort. Es ist erst mal nur die Bezeichnung eines ziemlich kleinen Kontinents, aber auch eine große wirtschaftliche und politische Macht. Eine Union, die versucht, an ihrer Einheit festzuhalten, während sie mehr und mehr auseinander fällt, weilMitgliedsstaaten überlegen auszusteigen oder schon ausgestiegen sind. Was ist das für eine Union, die es nicht mal schafft, sich darauf zu einigen, was für die selbst gelten soll? Sollte sie sich nicht zuerst darauf konzentrieren herauszufinden, wer sie selbst ist, bevor sie sich in die Frage verbeißt, ob eine andere Religion oder Kultur zu ihr passt?

Wir, die 3. Klasse des Klassischen Gymnasiums „Walther von der Vogelweide“ in Bozen, Südtirol, haben uns mit diesen und anderen Fragen auseinandergesetzt und versucht, verschiedene Meinungen, Ideen und Vorstellungen auszuwerten und eine Antwort zu finden. Bevor wir mit unseren Recherchen anfingen, haben wir aber erst mal einfach drauflos diskutiert:


Ich finde, dass die Frage falsch gestellt ist, denn der Islam ist eine Religion und Europa eine politische Union. Außerdem ist Europa oder der Islam kein Individuum, also: Wie soll denn da was ‚passen’ ?!“

Willst du etwa sagen, dass es keine Individuen sind, die im Moment Europa mit Terror in Angst versetzen?“

Und du: Willst du sagen, dass es keine Individuen sind, die Einzeltäter mit allem in einen Topf werfen, was den Namen „Islam“ trägt?“

Aber das ist ja das Problem: Woher soll man wissen, wer radikal ist und wer nicht!“

Weiß man bei anderen Gruppen auch nicht, Fanatiker gibt es in allen Religionen.“


Wir wollten wissen, wie die anderen rund 900 Schüler und auch die 125 Lehrer unserer Schule spontan auf die Frage reagieren und starteten eine Umfrage. Die Fragen waren zum Teil geschlossen, zum Teil offen gestellt und man konnte den Fragebogen anonym ausfüllen. Das Ergebnis der ersten Frage war ähnlich unentschieden wie in unserer Diskussion:


Ängste und Vorurteile in der Gesellschaft


Das zweite Umfrage-Ergebnis dagegen hat uns sehr überrascht:


Wir hatten damit gerechnet, dass auf die Frage nach Vorurteilen gegenüber dem Islam die Mehrheit mit Nein antworten würde, weil niemand gerne zugibt, dass er Vorurteile hat. In den persönlichen Gesprächen in unserem Umfeld sagten sehr viele, dass sie „den“ Islam für radikal, mittelalterlich, intolerant, frauenfeindlich und undemokratisch halten. Sie alle sprachen über den Islam als Gruppe oder über das, was Terroristen im Namen des Islams in den letzten Jahren getan haben und weiter tun – nicht über Menschen, die sie kennen, denn mit jenen hätten sie keine Probleme

*Ein Vorurteil ist ein Urteil, dass nicht immer negativ sein muss, denn jeder hat Vorurteile und sie gelten nur so lange, bis man sich ein eigenes, echtes Urteil gebildet hat. Sie werden nur dann zum Problem, wenn man an diesen festhält, nur an sie glauben will und diese auch nicht korrigieren möchte. Meistens verändert sich ein Vorurteil gegen eine Gruppe schon in dem Moment, wo man mit einem „Vertreter“ dieser Gruppe in Berührung kommt.

Aber wie viele Menschen haben regelmäßigen Umgang mit Menschen islamischen Glaubens? Fast alles, was wir über „den Islam“ zu wissen glauben, haben wir aus "dritter Hand" erfahren, meist aus dem Fernsehen oder den Zeitungen. Dadurch formt sich unser Bild z.B. von männlichen Macho-Muslimen, die in Frauen ihren Besitz sehen oder von einer Menschenmasse, die mehr und mehr unsere europäische Kultur verdrängen will.

Wenn man sich die Zahlen anschaut, stimmt das gar nicht: Im Jahr 2005 lebten in Europa zwischen 42 und 53 Millionen Muslime, das sind ca. 8 % der über 700 Millionen Einwohner des Kontinents. Mit den Flüchtlingswellen aus afrikanischen Ländern und aus den Kriegsgebieten des Vorderen Orients kommen zwar immer mehr Muslime nach Europa aber laut einer amerikanischen Studie „The Future of World Religous“ von April 2015 werden bis 2050 aber nur 10 % der Menschen in Europa Muslime sein.

Trotzdem nutzen immer mehr Parteien die Angst vor einer möglichen Islamisierung des Westens.

Laut Definition sind Ängste ein undeutliches Gefühl des Bedroht-Seins. Wenn man an die Attentate der letzten Jahre denkt, ist das ein berechtigtes Gefühl. Es ist deshalb kein Wunder, dass bei unserer Umfrage die Angst vor Terrorismus den höchsten Wert hatte und fast 50% angaben, beim Reisen kein gutes Gefühl zu haben:

Außerdem bedeutet europäisch oder christlich nicht automatisch aufgeklärt…“

„…aber aufgeklärt genug, dass Frauen nicht gezwungen werden, mit der Burka herumzurennen!“

Totaler Quatsch, den du da redest! Es handelt sich hier um 300 Burka-Trägerinnen und wenn das ihr Brauch, ihre Kultur ist, dann muss man das akzeptieren - wir als tolerantes Europa.“

300? Das ist Sparta!“ - Gelächter

Das soll ein Brauch sein, den man akzeptieren muss? Also ich finde, dass die Burka Unterdrückung symbolisiert. Und wenn es wirklich nur ein Brauch ist, dann wäre die Sache ja ganz einfach: Andere Länder, andere Sitten! Wenn ich in einem islamischen Land eine Moschee besuche, bedecke ich meine Haare, weil man das da eben so tut, und hier gilt eben die Sitte, dass man das Gesicht des Anderen sieht.“

Weißt du immer, was hinter einer Frau ohne Burka steckt?“ - Gelächter

Das ist ja wohl was Anderes! Hinter einer Burka sieht man keine Mimik und Gestik. Ich finde, eine Burka versteckt was! Es ist das Unbekannte, das macht Angst. Und so zu tun, als sei diese Angst rechtsradikal, ist nicht fair. Ich kann die von der PEGIDA und AFD schon verstehen .“

Empörtes Raunen geht durch die Klasse


In unserer Diskussion kamen wir zu dem Schluss, dass die Burka nicht mit unserer Kultur zu vereinbaren ist. Die Mehrheit der von uns Befragten sah aber komischerweise kein Problem darin. Vielleicht liegt das daran, dass es in Bozen keine einzige Frau mit einer Burka zu sehen gibt.


In den Medien ist gerade die Burka ein Hauptthema. Schließlich verkörpert das Stück Stoff nicht nur eine religiöse Tradition, sondern wurde auch zum politischen Symbol. Drei Argumente werden immer wieder gegen die Burka vorgebracht: Erstens sei sie ein Symbol für die Unterdrückung der Frau. Frauen sollen hinter diesem „Vorhang“ als individuelle Person verschwinden.

Der Psychologe Ahmad Mansour war darüber besonders empört: *Damit sage sie, dass Männer ihre Triebe nicht im Griff hätten und dass sie auf sie reduziert werden. *Man kam zum Schluss, dass man hier sowohl auf ein fehlerhaftes Männer- als auch Frauenbild stößt. Männer sind keine Vergewaltiger und Frauen keine Objekte. Bei der Burka redet man von einer Freiheit, die keine ist.

Da kann Illi das stofferne Gefängnis als Zeichen der Gemeinschaft noch so schön reden wie sie will.

Schlussendlich trifft die Burka auf ein rechtliches Problem. Auch der Südtiroler Landesrat für Integration Philipp Achammer, den wir in die Klasse einluden hatten, sah das Hauptproblem bei der Burka darin, dass es „technische“ Probleme mit sich bringt, *schließlich muss man sich in der Öffentlichkeit ausweisen können.

Viele Menschen in Europa haben Angst, dass unsere Kultur von der islamischen überrollt werden könnte. Deshalb hat uns überrascht, dass auf die offene Frage unserer Umfrage, wie uns der Islam bereichern könnte, fast 50% „Kultur“ angaben. Leider konnten wir aus Zeitgründen nicht mehr nachfragen, was damit gemeint war. Dafür haben wir bekannte in unserem Umfeld gefragt, was sie von der islamischen Kultur halten.

Die meisten Leute verstanden unter islamischer Kultur in Europa, Moscheenbauten, Esskultur, die Art der Bekleidung und Feiertage. Daraufhin machten wir uns auf die Suche, ob der Islam uns in der Geschichte schon einmal kulturell bereichert hat.



Wie das Christentum hat auch der Islam seit Jahrhunderten die Kultur Europas beeinflusst. Schon um 700 n.Chr. kam der Islam mit europäischem Boden in Berührung, durch die Eroberung Spaniens. Außerdem begannen zu dieser Zeit arabische Muslime, griechische und lateinische Texte der Spätantike ins Arabische zu übersetzten und ihren Inhalt und die Entdeckungen und Forschungen der Autoren weiterzuentwickeln.

Die arabische Kultur war zu jener Zeit offen gegenüber anderen Kulturen und Religionen während die christliche Welt verschlossen war und an den Worten der Bibel auf strengste Weise festhielt.

Nachdem christliche Herrscher Süditalien erobert hatten, das zuvor von Arabern beherrscht worden war, gelangten wissenschaftliche und literarische Werke der Araber in die Hände europäischer Gelehrte. So erfuhren auch die Europäer viel über das Wissen antiker Philosophen und Wissenschaftler. Das trug zu einem Fortschritt der europäischen Kultur bei.

Aber es gab in der Vergangenheit auch Konflikte zwischen Orient und Okzident wie z.B. die Kreuzzüge oder viel später der Imperialismus. *Im Alltag spürt man vom Islam wenig *Bis auf ständige Meldungen spüren wir vom Islam hier wenig. Moscheen stehen neben Kirchen. Muslime leben neben Christen. Das Problem scheint das weitentfernte *Gebilde Islam bzw. Islamismus zu sein, welche sich über die Menschenrechte hinwegsetzten.


Die Menschenrechte in der westlichen und der islamischen Welt

Immer wieder *wird gesagt, dass der Islam die Menschenrechte nicht respektiert. Das wird damit begründet, dass in einigen islamischen Ländern Frauen gesteinigt werden, wenn sie Ehebruch begangen haben, Homosexuelle aufgehängt werden und keine echte Meinungsfreiheit herrscht, weil die Religion niemals kritisiert werden darf. Europäer können nicht akzeptieren, dass das religiöse Recht (die Scharia) über dem weltlichen Recht steht, weil sich Europa entschieden hat, dass Religion und Staat getrennt sein müssen.

Nachdem die Vereinten Nationen 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte niedergeschrieben hatten, wollte die Arabische Liga einen eigenen Text verfassen und einigte sich 2004 auf die Arabische Charta der Menschenrechte. Sie wurde von zehn Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga (Jordanien, Bahrain, Algerien, Syrien, Palästina, Libyen, Qatar, Saudi Arabien, Jemen und die Vereinigten Arabischen Emirate) unterschrieben.

In vielen Punkten gleicht sie der UNO-Charta.

In der Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam von 1990 war noch die „Scharia“ erwähnt worden. Obwohl sie in der neueren Version von 2004 nicht mehr erwähnt wird, ist in den meisten Verfassungen der arabischen Staaten die Scharia die Grundlage der Gesetzgebung. So ist z.B. nicht nur Steinigung bei Ehebruch und Handabschlagen bei Diebstahl erlaubt, sondern auch die Unterordnung der Frau und die Einschränkung der Religionsfreiheit.


*Europa gilt als Geburtsstätte der Demokratie. *Da in einer Demokratie die Gleichheit und das Recht aller betont werden, stehen in der EU die Menschenrechte an oberster Stelle. Interessant für unsere Frage sind besonders Artikel 18 und 19 der UN- Menschenrechts-Charta:

Jeder Mensch hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit.“ (Art. 18)

Jeder Mensch hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie diese über Medien jeder Art [ .] zu verbreiten.“ (Art. 19)

Zur Gedankenfreiheit gehört *dann aber auch, *nicht religiös sein zu können, Religion zu kritisieren, sich darüber lustig zu machen oder sie sogar abzulehnen. Islamistische Terroristen sind da anderer „Meinung“: Religionskritiker haben kein Recht, ihre Meinung zu äußern und müssen mit dem Tod bestraft werden. Aber nicht nur Terroristen, sondern auch Teile der muslimischen Bevölkerung und einzelne Regierungen der islamischen Welt reagierten auf „Beleidigung ihres Glaubens“ mit Wut. *Kein Wunder, dass ein so simples provozierendes Medium wie die Karikatur ist, zu gewaltsamen Übergriffen führte.


Das ist doch alles Massenhysterie…. Ich hätte gedacht, dass wir aus der Geschichte gelernt hätten…Meiner Meinung nach sind rechtsradikale Gruppen die wahre Gefahr in Europa.“

Also… um zur Ausgangsfrage zurückzukommen: Die Frage heißt: Nicht ob, sondern wie man diese unterschiedlichen Kulturen vereinen kann.“

Und die Antwort?“

Nehmen wir unsere Klasse: 23 Christen und eine Muslimin. Passen wir zusammen? Ja. – Raya, sag mal ehrlich: Hast du mit uns Probleme?“

Das ist nicht euer Ernst?! Ihr etwa mit mir?“ - Gelächter


Zusammenfassung und Stellungnahme

Muslime brauchen nur die Möglichkeit, die „fünf Pfeiler“ des Glaubens zu erfüllen (das Glaubensbekenntnis, das tägliche Gebet, Almosengabe, das Fasten im Ramadan und die Reise nach Mekka). Und wir brauchen die Möglichkeit, die *** Pfeiler unserer *** zu ***.



  • Ein Staat mit nur einer Religion und nur einer Kultur ist ein armseliger Staat. Wir leben von der Vielfalt.

  • Wir müssen mehr über den Islam wissen, und die Muslime müssen mehr über das Christentum wissen.

  • Christentum und Islam viele Gemeinsamkeiten, beide im Orient geboren

  • Problem: Islamisten berufen sich auf den Islam


Hat von Euch jeder seinen Ring von seinem Vater:

So glaube jeder sicher seinen Ring

Den echten. – [ .]

Wohlan!

Es eifre jeder seiner unbestochnen

Von Vorurteilen freien Liebe nach!

Es strebe von euch jeder um die Wette,

Die Kraft des Steins in seinem Ring’ an Tag

Zu legen! Komme dieser Kraft mit Sanftmut,

Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun,

Zu Hilf’! [ .]

So lad ich über tausend tausend Jahre

Sie wiederum vor diesen Stuhl. Da wird

Ein weisrer Mann auf diesem Stuhle sitzen

Als ich; und sprechen.“q


Lessing, „Nathan der Weise“, III, 7


Für jeden von euch haben Wir ein Gesetz und einen deutlichen Weg festgelegt. Und wenn Allah wollte, hätte Er euch wahrlich zu einer einzigen Gemeinschaft gemacht. Das ist so, damit Er euch in dem, was er euch gegeben hat, prüfe. So wetteifert nach den guten Dingen!Zu Allah wird euer aller Rückkehr sein, und dann wird Er euch kundtun, worüber ihr uneinig zu sein pflegtet.


Koran, Sure 5 “al-Maida” (“Der Tisch”)


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