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Seminararbeit beim Fach

Deutsche Literatur und Film

Nazi-Propagandafilm

Theresienstadt. Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet“(1945)

2015

Inhaltsverzeichnis


Bilderverzeichnis

1 Einleitung

In der vorliegenden Seminararbeit wird am Nazi-Propagandafilm „Theresienstadt. Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedungsgebiet“ filmwissenschaftlich analysiert.

Die Seminararbeit soll versuchen zu zeigen, inwiefern sich dieser Nazi-Propagandafilm unter diesem Gesichtspunkt von Standard-Nazi-Propagandafilmen unterscheidet bzw. abweicht.

Am Anfang erfolgt die Ermittlung der historischen Hintergründe, also der filmhistorischen Fakten. Anschließend folgt eine Handlungsanalyse des Films, welche die Entstehungsgeschichte des aparten Propagandafilms, das Drehbuch, Beleuchtung, Film- und Sequenzprotokoll, das Kamerateam, die Statisten, die Filmmusik und das erforschen des authentischen Titels beinhaltet.

Der Schwerpunkt der Arbeit bildet die inhaltliche Analyse des Films. Diese beinhaltet verschiedenen Sequenzen bzw. Szenen des Fragments, Kamera, Einstellung und Montage, weitere nicht filmisch erhaltene Fragmente und Verschiedene einzelne Kader und Einstellungen. Diese Merkmale werden, sofern wie möglich, mit Beispielen aus dem Werk untermauert.

Um eine deutliche Abweichung dieses Propagandafilms von Anderen darstellen zu können wird die Struktur, die Funktion und die Bedeutung der Standard-Propagandafilme für die NS-Filmpropaganda beschrieben. Auf dieser Grundlage werden die Filme auch in einzelne Kategorien geordnet.

Zum Abschluss der Seminararbeit wird noch auf die Umsetzung und die Rezeption des Propagandafilms eingegangen und ein kurzes Resümee der Seminararbeit aufgezeigt.

2 Historische Hintergründe

Ende des 18. Jahrhunderts erbaute Josef II. die Garnisonsstadt Terzin. Im Oktober 1941 wurde dann der Beschluss gefasst, 60 Kilometer nördlich von Prag ein Sammellager für tschechische Juden zu errichten. „Im Januar 1942 erklärte Reinhard Heydrich, der Leiter des Reichssicherheitshauptamtes und Stellvertretender Reichsprotektor von Böhmen und Mähren“1, Theresienstadt zum „Reichsaltersheim für reiche und prominente Juden“.

Dieses sogenannte Vorzugsghetto war vor allem für Menschen gedacht, die im ersten Weltkrieg Verdienste erworben haben, ehemalige Staatsbeamte oder prominente Sportler, Wissenschaftler und Künstler waren.

Um den Status eines KZ-Häftlings zu verschleiern, mussten die deportierten einen ‘Heimeinkaufsvertrag‘ abschließen. Dieser Vertrag für die ‘Vorzugsjuden ‘wurde zur Verlegung des Wohnsitzes nach Theresienstadt konzipiert. Außerdem musste ein Vertrag mit der „Reichsvereinigung des Juden“2 unterschrieben werden, dieser diente zur Abtretung aller Banknoten, Hypotheken und Wertpapiere.

Spätestens nach der Ankunft in Theresienstadt lösten sich alle Illusionen, als die Deportierten in die sogenannte Schleuse geführt wurden auf. Dort wurden ihre Koffer untersucht, Leibesvisitationen durchgeführt und ihnen alle Wertgegenstände, die sie bei sich trugen abgenommen.

Das Konzept des Lagers war einzigartig, da es dem Anschein nach ein ‘Ghetto unter jüdischer Selbstverwaltung‘ sein sollte. Die Ghettoverwaltung lag offiziell in den Händen des ‘Ältestenrats‘, an deren Spitze der Judenälteste stand. Doch dieses Konzept war, wie vieles andere, nur ein Schein, denn die Einwohner hatten keinerlei Spielraum, Befugnisse oder Mitspracherecht, um in der Verwaltung mitwirken zu dürfen.

Sie waren gezwungen alle Anordnungen der SS zu befolgen. Daraus resultierte eine tragische Gratwanderung zwischen Selbstaufopferung und erzwungener Mithilfe an der physischen Vernichtung der Juden.

Die realen Lebensbedingungen waren in jeder Hinsicht katastrophal. Hunger, unzureichende Wasserversorgung, schwere Infektionskrankheiten, extreme Überbevölkerung und eine erschreckend hohe Sterblichkeitsrate prägten den Lageralltag.

Theresienstadt war im wesentlichen Sinne eine Durchgangsstation auf dem Weg ins Konzentrationslager Ausschwitz und andere Lager im Osten. Im Zeitraum von 1941 bis 1945 wurden über 140.000 Menschen nach Theresienstadt deportiert, von denen etwa 34.000 Menschen dort starben. Ungefähr 88.000 Menschen wurden in die Vernichtungslager im Osten, vor allem nach Auschwitz deportiert.

Bei der Befreiung des Ghettos am 8. 5. 1945 waren noch etwa 17.000 Häftlinge am Leben.

3 Handlungsanalyse

3. 1 Entstehungsgeschichte des aparten Propagandafilms

Im September entstand in Theresienstadt der erste ‘Kulturfilm‘ über den Alltag im Ghetto. Der Dokumentarfilm sollte nach dem Drehbuch von Peter Kein von der Prager Regisseurin Irene Dodalová realisiert werden. Der Film zeigt die Ankunft des jüdischen Schauspielers Holländer sowie verschiedene Szenen aus dem Lageralltag.

Der Leiter des „Zentralamts zur Regelung der Judenfrage in Böhmen und Mähren“3, SS-Sturmbannführer Hans Günther hatte die Idee für den ungewöhnlichen und vorzeigbaren Propagandafilm über den Alltag im Ghetto.

Der Film sollte zufriedene jüdische Ghettobewohner zeigen, die ohne Zwang und unter optimalen Lebensbedingungen ihren Interessen nachgehen und ein angenehmes und sorgenfreies Leben führen. Jeder Gedanke an deren geplante Ermordung sollte als absurd erscheinen. Auch die Herstellung des Films war ein reines SS-Projekt ohne Beteiligung des Reichspropagandaministeriums.

3. 1. 1 Stadtverschönerung

Um Theresienstadt in einen geeigneten Schauplatz für einen beschönigenden Propagandafilm umzugestalten, wurde Ende 1943 die sogenannte ‘Stadtverschönerung‘ gestartet. Nach und nach verwandelte sich das Konzentrationslager in ein potemkinsches Dorf mit gefälligem Stadtbild.

Einrichtungen wie Kaffeehaus, Poststelle, Bank, Bibliothek, Krankenhaus, öffentliches Bad, Kinderspielplatz und Parkanlagen sollten den Anschein eines realen ‘Musterghettos‘ erweckten. Aus den Transportnummern wurden harmlose ‘Kennnummern‘, die Häftlinge waren jetzt Einwohner und man sprach nicht mehr vom „Ghetto“ sondern vom „jüdischen Siedlungsgebiet.“4 Um die dramatische Überfüllung zu reduzieren und der ehemaligen Garnisonsstadt einen wohnlichen Anschein zu geben, wurden im Mai 1944 7500 Häftlinge nach Auschwitz deportiert, darunter über 500 Kinder.

3. 2 Drehbuch, Filmprotokoll, Sequenzprotokoll

Der bekannte Kabarettist, Schauspieler und Regisseur Kurt Gerron wurde im Sommer 1944 mit der Planung des Dokumentarfilms beauftragt. Er schrieb ein Drehbuch, plante die Aufnahmen, akquirierte die Darsteller, führte Regie, verfasste die Drehberichte und lieferte einen Vorschlag für den Filmschnitt. Bei der Planung wurde er von dem holländischen Zeichner Jo Spier und dem Prager Bühnenarchitekt František Zelenka unterstützt.

3. 3 Kamerateam

Die Dreharbeiten wurden von einem Kamerateam der tschechischen Wochenschaufirma Actualita durchgeführt. Der Aufnahmeleiter Karl Pečený sowie die Kameramänner Čeněk Zahradníček und Ivan Fric waren die einzigen an der Herstellung des Films Beteiligten, die nicht in Theresienstadt inhaftiert waren. Die Dreharbeiten fanden ausnahmslos unter strengster SS-Überwachung statt und dauerten vom 16. August bis 11. September 1944. Den nicht inhaftierten Kameramännern war die Unterhaltung mit den Insassen strengstens untersagt.

3. 4 Statisten

Für die Filmaufnahmen wurden nur diejenigen Statisten ausgesucht, die der nationalsozialistischen Rassentheorie vom ‘typischen Juden‘ entsprachen. Darüber hinaus sollten möglichst viele Prominente aus Politik, Kunst, Wissenschaft und Sport gefilmt werden.

Nach den Berichten des Regieassistents Hans Hofer standen die Häftlinge den Dreharbeiten weitgehend ablehnend gegenüber. Die Insassen waren sich nämlich im Klaren darüber, dass der Film nur heuchlerischen und zynischen Absichten nacheifert. Die Mehrzahl übte passive Resistenz aus und konnte oftmals nur mit Gewalt zur Komparserie (Filmstatistik) gezwungen werden.

Nach etwa der Hälfte der Dreharbeiten hat Karl Pečený die Regie übernehmen. Gerron war weiterhin bei den Dreharbeiten anwesend, aber nur als Regieassistent. Für Schnitt und Vertonung wurde der Kameramann Ivan Fric verpflichtet, der sich jedoch kaum an Gerrons Schnittvorschläge hielt.

Der in Prag geborene Soziologe und Schriftsteller Hans Günther Adler, selbst auch ein Theresienstadt Überlebender, der zwei wichtige Bücher über dieses Lager verfasst hat, übte dabei am Verhalten mancher prominenter Häftlinge scharfe Kritik:

Viele der noch jungen und menschlich unreifen Musiker und Theaterleute büßten jeden Halt ein, nahmen Starallüren an und vergaßen beinahe das Lager und die SS (…). Man betäubte sich, verleugnete die Gegenwart und, was am bedenklichsten ist, man erfüllte ahnungslos willig die Wünsche der SS. Die beabsichtigte Täuschung der Fremden wurde zur Selbsttäuschung der Gefangenen, sie haben gerne auf der grausigsten Bühne im ganzen Land mitgespielt, die Menschenwürde wurde von ihnen ausgehöhlt, ohne dass es die Opfer merkten.6

Über Kurt Gerron äußerte er sich besonders kritisch, da dieser sich nicht nur für die Inszenierung einer Propagandalüge hergegeben hätte, sondern sich auch noch „selbst dazu erniedrigt hätte, „für die Mörder, […] „das nationalsozialistische Deutschland durch verlogenes Allotria […] wenige Wochen vor ihrer eigenen Ermordung ein Zeugnis vermeintlich achtbarer Menschlichkeit abzulegen.“7

3. 5 Filmmusik

Die Filmmusik, stammt fast ausschließlich von jüdischen Komponisten und wurde erst im März 1945 von einem Aufnahmeteam der Actualita fertiggestellt. Bloß einige Live-Aufnahmen sind bereits im August und September 1944 entstanden:

  • ein Konzert mit dem berühmten Prager Dirigenten Karel Ančerl

  • Aufnahmen der im Jänner 1943 gegründeten Jazzband „Ghetto-Swingers“ mit dem Gitarristen Coco Schumann

Die Angaben über die Dauer des fertigen Films schwanken zwischen 50 und 90 Minuten.

Die Kosten für den Film beliefen sich auf 35.000 Reichsmark. 1 Reichsmark (1944) entspräche 3,30 Euro8, umgerechnet entspricht das Budget also 115.500 Euro.

3. 6 „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“

Der Propagandafilm ist nur in fragmentarischer Form erhalten und wurde nach Kriegsende zuerst unter dem vermeintlichen Titel „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“ bekannt. Dieser Titel könnte möglicherweise eine geistige Kreation einiger Häftlinge gewesen sein, da die zynischen Absichten und die Ironie des Films bekannt waren.

Im Yad Vashem„Gedenkstätte der Märtyrer und Helden des Staates Israel im Holocaust“9wurden einige Kader der Titelsequenz gefunden, die im Zusammenspiel mit den Forschungen des holländischen Historikers Karel Margry den authentischen Titel belegten. Der besagte Titel lautet „Theresienstadt. Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedungsgebiet“.

Gerron hat zweifellos viel zu dem Film beigetragen, trotzdem stellt sich die Frage, inwiefern der Film als ein Werk Gerrons bezeichnet werden kann. Wie schon im Vorfeld erwähnt, wurde er nach der Hälfte der Dreharbeiten abgelöst. Der Grund dafür konnte nie bestätigt werden, es gab nur Spekulationen. Auch der Kameramann Ivan Fric hielt sich nicht an Gerrons Vorlagen und schnitt den Film nach eigenen Vorstellungen.

4 Inhaltliche Analyse

Der Theresienstadt-Propagandafilm verschwand in den letzten Tagen des Dritten Reichs. Kurz bevor das Ghetto von der Roten Armee befreit wurde vernichtete die SS massenhaft belastende Dokumente, also nahm man an, dass auch der Film verbrannt worden ist. Aber als im Jahr 1964 ein etwa fünfzehnminütiges Fragment dieses Films im Prager Filmarchiv gefunden wurde, erwachte das Interesse der Wissenschaft an diesem ungewöhnlichen Zeitdokument.

4. 1 Sequenzen bzw. Szenen des Fragments

Dieses fünfzehnminütige Fragment beinhaltet 12 der insgesamt 38 Sequenzen des Films und ist das bislang umfangreichste entdeckte Fragment.

Die Szenen zeigen:

  • einen Schmied beim Beschlagen des Hufes einer Kuh

  • Schmiede- und Metallarbeiten

  • eine Frau beim Töpfern

  • den Bildhauer Rudolf Saudek aus Leipzig bei der Herstellung einer Brunnenplastik

  • Aufnahmen in einer Taschnerwerkstatt, in einer Näherei und in einer Schusterwerkstatt

  • Darstellung der Freizeitaktivitäten

  • die längste Sequenz dieses Fragments (Dauer: 2’43“) zeigt das Fußballspiel „Ligasieger gegen Pokalsieger“ im Innenhof einer ehemaligen Kaserne, mehrere Zwischenschnitte bringen auch die Zuschauer ins Bild.

  • im Zentralbad, die gut genährte Männer beim Duschen präsentiert

  • Einstellung in der Zentralbücherei

  • Vortrag des Universitätsprofessors Emil Utitz. Im Publikum sitzen neben zahlreichen Wissenschaftlern auch der Rabbiner Leo Baeck und der Judenälteste Benjamin Murmelstein

  • als Höhepunkt der Darstellungen des umfassenden kulturellen Lebens in Theresienstadt bringt der Film Ausschnitte aus der Uraufführung der „Studie für Streichorchester“ des Komponisten Pavel Haas unter dem berühmten Prager Dirigenten Karel Ančerl (Dauer: 2’01“). Im Auditorium sind wieder zahlreiche Vertreter der jüdischen Prominenz aus Kunst und Wissenschaft zu sehen, z. B. der Berliner Theaterdirektor Karl Meinhard oder der Komponist Hans Krása.

  • Leute bei der Gartenarbeit (Dauer 1’10“)

  • das beschauliche Leben innerhalb und außerhalb der Wohnbaracken:

    • ein Frauenheim von innen

    • junge Frauen beim der entspannten Lektüre und bei der Handarbeit

    • kleine Gruppen von Personen, die sich ungezwungen unterhalten und Kartenspieler

    • Die letzte Einstellung ist nur unvollständig erhalten und präsentiert eine Familie beim Abendessen

Bild 3: Sequenz 29 – ein Schuster bei der Arbeit

Bild 4: Sequenz 30 – "Ligasieger gegen Pokalsieger"

Bild 5: Sequenz 36 – Beschäftigung im Frauenheim

4. 3 Weitere Fragmente

1987 wurden 24 weitere Fragmente mit einer Gesamtlänge von 7’30“ im Yad Vashem gefunden, die aus sieben weiteren Sequenzen stammen:

  • nach der unvollständig erhaltenen Titelsequenz folgt die Geschichte der Garnisonsstadt mit Zeichnungen der Befestigungsanlagen von Jo Spier

  • die Sequenz Nr. 6 zeigt Menschen bei der Ausübung unterschiedlichster Freizeitbetätigungen (Gymnastik, Lesen, Zeichnen, Stricken, Schachspielen)

  • die unvollständig erhaltene Sequenz Nr. 7 zeigt Leichtathletik der Männer und Damenhandball

  • die Sequenz Nr. 15 widmet sich dem Gesundheitswesen (eine Operation, den Krankenhaussaal, Patientenbetten im Garten des Krankenhauses)

  • die Sequenz Nr. 16 zeigt die Kinderfürsorge - mit Einstellungen essender und spielender Kinder

  • in der unvollständig erhaltenen Sequenz Nr. 17 sieht man die Schlussszene der Kinderoper Brundibár von Hans Krása, den Kinderchor auf der Bühne und Kinder im Zuschauerraum

Bild 7: Sequenz 6 – Freizeitaktivitäten bei der Lektüre

Bild 8: Sequenz 17 – Darsteller der Kinderoper Brundibár

Bild 9: Sequenz 17 – junge Zuschauer der Kinderoper Brundibár

4. 4 Verschiedene einzelne Kader und Einstellungen

  • In mehreren Archiven existieren noch einzelne Kader aus 15 Sequenzen des Films. Unter anderem auch 332 Drehskizzen des Malers Jo Spier, die sich auf sieben Sequenzen beziehen, von denen kein belegtes Filmmaterial erhalten ist. Nach dem aktuellen Forschungsstand sind 712 Einstellungen bekannt, dass sind ungefähr 80 % des Films:

  • 215 Einstellungen aus dem 1964 entdeckten Fragment, das den Schluss des Films bildet

  • 120 Einstellungen aus dem Yad Vashem Fragment

  • 149 Einstellungen aus Einzelkadervergrößerungen

  • 229 Einstellungen aus den Skizzen von Jo Spier

5 Propagandafilm

5. 1 Fehlende Standardelemente des Propagandafilms

Auf den ersten Blick erscheint der Theresienstadt-Propagandafilm unspektakulär, sowohl in inhaltlicher als auch visueller Hinsicht. Doch bei näherem Hinsehen wird klar, dass keine ‘jüdischen Untermenschen‘ objekthaft vorgeführt werden. Vereinfacht gesagt, werden die Juden ausnahmsweise nicht als Bedrohung für die nationalsozialistische Volksgemeinschaft dargestellt.

  • angeschnittene Gesichter in Nah und Großaufnahmen

  • perspektivische Über- oder Untersicht

  • distanzierte Totalaufnahmen als Strategie der Enthumanisierung

  • ideologisch akzentuierte Hell-Dunkel-Symbolik

5. 2 Wochenschaucharakter

Der Film präsentiert sich im euphorisch-suggestiven Tonfall einer NS-Wochenschau. Er soll die Idylle einer selbstverwaltenden jüdischen Gemeinschaft wiederspiegeln in der die jüdischen Einwohner unbehindert und ohne jede Einschränkung ihrer Arbeit und ihren Interessen nachgehen können. Der Zuschauer soll das Gefühl bekommen, dass es keine Unstimmigkeiten gibt, die dieses Bild trüben könnten und, dass sich das NS-Regime für eine Humane Umsetzung der ‘Lösung der Judenfrage ‘ entschieden hat.

6 Funktion und Bedeutung für die NS-Filmpropaganda

Das Medium Film hatte für das NS-Regime eine enorme Bedeutung, welche von einem allgegenwärtigen Instrumentarium der ‘Regie des öffentlichen Lebens‘ bis zu einer hochwirksamen Waffe im Dienste des Genozids, an den zu ‘Untermenschen‘ degradierten Bevölkerungsgruppen innerhalb und außerhalb des Dritten Reiches reicht.

6. 1. 2 Staatspolitisch relevante Filmproduktionen mit bewusster ideologischer Intention

Diese Filme kann man in zwei Gruppen gliedern:

  1. Filmische Lobpreisungen der NS-Volksgemeinschaft, ihrer Helden und deren Taten; z.B. Robert Koch (1939), Feuertaufe (1940), Sieg im Westen (1941), Der große König (1942) usw.

  2. Filme über Bedrohungspotentiale der Volksgemeinschaft, speziell den Mythos vom ‘Untermenschentum‘, dessen einziges und permanentes Ziel die Zerstörung der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft darstellt.

6. 2 Leni Riefenstahl als Modell der NS-Filmpropaganda

Leni Riefenstahls ‘Reichsparteitagstrilogie‘ über die Reichsparteitage:

  • SIEG DES GLAUBENS (1933)

  • TRIUMPH DES WILLENS (1934)

  • TAG DER FREIHEIT – UNSERE WEHRMACHT (1935)

Zweiteiliger Propagandafilm über die Olympischen Spiele 1936 in Berlin:

  • OLYMPIA (1. Teil) – Fest der Völker (1938)

  • OLYMPIA (2. Teil) – Fest der Schönheit (1938)

Die Konflikte rundum Leni Riefenstahl sind immer noch gegenwärtig. Ihre Befürworter lehnen ihre Verbindung mit der NS-Bewegung ab und heben die Tatsache hervor, dass sie nie ein Mitglied der NS-Partei und fortwährend im Widerstreit mit dem Propagandaministerium des Dritten Reichs, vor allem mit Joseph Goebbels, war. Ihre Widersacher heben im Gegensatz ihr fast idealistisches Verhältnis mit Hitler und ihr Wirken bei dem Reichparteitag (1934) in Nürnberg hervor.

Die zentrale Frage des Beispiels Riefenstahl ist eine Frage der politischen, künstlerischen und menschlichen Verantwortung. Sie verbarg ihre Verantwortung vor der Wahrheit und versteckte sich hinter ihrer künstlerischen Begabung. Ihre scheinbar apolitische Haltung war Teil des geschickten Ausnützens ihres Künstlerstatus, denn dieser Status liegt prinzipiell außerhalb politischer Beteiligungen.

Es steht Außerfrage, dass sie eine Künstlerin war, da sie wichtige Ereignisse der deutschen Geschichte, mit ihrem persönlichen künstlerischen und emotionalen Horizont, verewigt hat. Sie interessierte sich eher für Kunst und Technik und machte sich über die Politik keine Gedanken.

Der dokumentarische Stil der damaligen Zeit umfasste überwiegend nur die statische Kamera und den Kommentar, doch Leni Riefenstahl hat diesen Ansatz abgelehnt. Die Kameraführer arbeiteten auf Rollschuhen, sodass sie die marschierenden Reihen in Bewegung filmen konnten. Sie verwendete Kräne und Fahrstühle zum Filmen aus beträchtlichen Höhen, Schienen und andere moderne und selbstkonstruierte Hilfsmittel.


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