Der Mann mit den zwei Gesichtern
Bildanalyse
Die
vorliegende Karikatur mit dem Titel „Der
Mann mit den zwei Gesichtern“ ist eine Primärquelle, die im Jahr 1933
in „Le Rempant“ veröffentlicht wurde. Was sofort ins Auge springt sind die beiden
Männer, welche man nur im Profil sehen kann und die so stehen als würden sie
aneinander befestigt sein. Beide haben ein ähnliches Gesicht. Dies soll zeigen,
dass es sich im Grunde um dieselbe Person handelt. Der Mann auf der linken
Seite trägt einen sehr eleganten dunklen Anzug. Er hält seinen Arm gestreckt
und hat eine Taube auf der Rückseite seiner Hand. Auffällig sind seine großen
Ohren und Nase. Da er allerdings kleine Augen hat, ist sein Gesicht nicht wirklich
proportional. Außerdem hat er dunkle Haare und einen Schnurrbart. Demgegenüber
ist der Mann auf der rechten Seite ganz anders gekleidet. Seine Beine berühren
nicht den Boden, es scheint so als würde er an dem anderen Mann befestigt sein
und in der Luft schweben. Der Helm und die Stiefeln die er trägt, deuten darauf
hin, dass er ein Angehöriger des Militärs ist. Außerdem hat er ein Hackenkreuz
auf dem Ärmel der Uniform. Er hält seinen Arm und einen Fuß ausgestreckt,
gerade so als würde er wie ein Soldat marschieren. Auch hat er keine Taube in
der Hand, sondern ein Gewehr. Und ein Schwert hängt von seiner Hüfte herunter. Um
seinen Hals hat er eine Kette mit einem Totenschädel hängen. Seinen Mund hat er
weit geöffnet, so als würde er gerade einen Befehl geben. Wie der Mann links am
Bild trägt auch er einen unverkennbaren Schnurrbart.
Natürlich
handelt es sich in beiden Abbildungen um den deutschen Reichsführer Adolf
Hitler, welcher im Jahr 1933 an die Macht im Deutschen Reich gekommen ist. Was
der Autor mit seiner Karikatur zeigen will ist, dass Hitler ein Mann ist der
zwei Rollen gleichzeitig spielt – die des noblen Friedenbringers und jene des
kriegerischen Eroberers.
Nach
dem Versailler Friedensvertrag galt Deutschland als einziges schuldiges Land
des Ersten Weltkrieges. Die Niederlage bedeuteten für das Land unter anderem
hohe Reparationszahlungen, die Entmilitarisierung und indirekt auch den Verlust
des Vertrauens und der guten Beziehungen mit den anderen Ländern. Die
Bevölkerung war mit dem Kriegsende und der Weltwirtschaftskrise überhaupt
nicht zufrieden. Sie sahen in Hitler eine Chance den Respekt für Ihr Land
wieder zu gewinnen.
Um den
Respekt durch die anderen Länder wieder aufzubauen verfolgte Adolf Hitler
mehrere Strategien, die dafür sorgen sollten ein neues und friedensvolles Bild
von Deutschland zu erschaffen. Ein Beispiel dafür ist die „Friedensrede“ von
Hitler, welche er im Juli 1933 hielt: "Indem wir in grenzenloser Liebe und
Treue an unserem eigenen Volkstum hängen, respektieren wir die nationalen
Rechte auch der anderen Völker und möchten aus tiefinnerstem Herzen mit ihnen
in Frieden und Freundschaft leben."
Dies
ist das Bild welches Hitler den anderen Ländern als Ziel der Außenpolitik des Deutschen
Reiches zeigen wollte, um so für die Zukunft gute Beziehungen aufzubauen. Ein
anderes Bespiel ist der Nichtangriffspakt mit Polen (1934), es wurde darin
beschlossen, dass innerhalb der nächsten zehn Jahren Konflikte zwischen Polen
und Deutschland friedlich gelöst werden.
All
diese Ideen und Schritte stellt der Mann in der Karikatur auf der linken Seite
dar. Er ist das heuchlerische Gesicht Hitlers und seiner Außenpolitik. Die
weiße Taube, die der Mann auf der linken Seite auf der Hand trägt, steht für
den friedlichen Eindruck den Hitler von Deutschland verbreiten wollte. Sein
Gesichtsausdruck und seine Verkleidung verstärken diese Position. Wenn man
diesen Mann, mit seinem ernsten und sicheren Gesichtsausdruck sieht, bekommt
man den Eindruck von einem echten Gentleman. Es verbreitet ein Gefühl von Ruhe,
Frieden, und Gelassenheit. Dies ist das Gesicht welches Hitler nach außen hin
zeigt, doch wofür steht der andere Mann?
Bei
dem Mann rechts handelt es sich augenscheinlich auch um Adolf Hitler. Seine
Ziele sowohl in der Außen- als auch in der Innenpolitik hatte er ganz klar
definiert. Er war davon überzeugt, dass die arische Rasse die reinste, stärkste
und dementsprechend auch die vorherrschende ist. Diese Rasse sollte über alle
andere stehen und die anderen dominieren. Dies begründete er mit der darwinschen
Theorie von „The survival of the fittest“, obwohl er die Theorie grundlegend
missverstanden hatte. Aus diesem Grund waren die Bedingungen des Versailler Friedensvertrages
für Hitler überhaupt nicht zu akzeptieren. Er suchte auch einen Schuldigen für
die wirtschaftliche schlechte Lage in Deutschland und fand diesen in den Juden.
Diese mussten vernichtet werden damit es Deutschland besser ging. Das gleiche Argument
wendete er gegenüber anderen Minderheiten an, wie z.B. den Kommunisten oder Behinderte.
Die arische Rasse „brauchte“ mehr Platz zu leben. Um diesen neuen Platz zu
schaffen müssen Gebiete im Osten erobert werden. Als letzten Schritt wollte
Hitler Deutschland wieder als Weltmacht etablieren. Deutschland muss stärker
als die anderen Länder sein. Um diese Ziele zu erreichen brauchte das Land eine
große Armee und Waffen. Somit war der Friedenvertrag ein Knebelvertrag der für
nichtig erklärt wurde. Dies waren seine eigentlichen
Ziele in der Außenpolitik.
In all
diesen Punkten widerspricht sich diese Politik mit dem friedlichen Eindruck den
Hitler eigentlich verbreiten wollte. Er spricht von Frieden, doch beginnt er
schon bald Krieg mit allen anderen Nationen. Deswegen ist der Titel der
Karikatur „Der Mann mit den zwei Gesichtern“ sehr passend.
Hitler
hatte tatsächlich zwei Gesichter. Ein Beweis für seine militärischen Absichten
ist der Austritt aus dem Völkerbund im Jahr 1933. Nach diesem Austritt hatte
Deutschland einen viel größeren Spielraum um sich wirtschaftlich und politisch
auf einen neuen Krieg vorzubereiten. Mit einem neuen Gesetz wurde im Jahr 1935
die Wehrpflicht wieder eingeführt. Das war eindeutig ein Zeichnen dafür, dass
sich Deutschland auf einen weiteren Krieg vorbereitet, obwohl es gleichzeitig
langfristige Friedenspakte mit anderen Ländern abgeschlossen hat.
Der Zeichner
stellt mit dieser Karikatur das offensichtliche Katz und Maus Spiel dar, welches
Hitler mit den anderen Nationen trieb. Dies ist ihm mit der Einfachheit der
Darstellung klar gelungen, denn er verwendet keine komplexen, abstrakten Bilder
oder unverständliche Metaphern. Die rhetorischen Mittel sind leicht
verständlich, die Grafik kommt ohne weitere Erläuterungen aus, denn der Titel
ist unmissverständlich. Außergewöhnlich ist, dass der Zeichner schon im Jahr 1933,
also dem Jahr der Machtergreifung durch Hitler, dessen zweideutige Absichten
erkannte. Ein Krieg war damals wohl unausweichlich, vor allem da sehr viele
Politiker in Europa das falsche Spiel welches Hitler mit ihnen trieb nicht
erkannten, oder einfach nicht wahr haben wollten.