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Seminararbeit
Politik

Universität Passau

2016

Lea S. ©
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ID# 67798







Prof. Dr. W Gellner - Lehrstuhl für Politikwissenschaft
Proseminar „ Das politische System Frankreichs“


Wirtschaftskrise und Rechtsextremismus in Europa

–Hatten wirtschaftliche Faktoren einen Einfluss auf den Stimmgewinn des Front National bis 2015?


Unterrichtsfach Sozialkunde, Fachwissenschaft Sozialkunde


Inhaltsverzeichnis

I.        Einleitung

II.       Hauptteil

A.   Theoretischer Teil

1.    Wirtschaftskrise

a)    Definition

b)    Folgen von Wirtschaftskrisen

c)    Ökonomische Krisen der heutigen Zeit

2.    Rechtsextremismus

a)      Begriffsbestimmung

b)      Europäischer Rechtsextremismus

c)      Forschungsstand und ökonomische Erklärungstheorien

B.   Empirie – Fallbeispiel „Front National“

1.      Front National

2.      Französisch europäische Wirtschaft und der FN

3.      Einordnung in die Erklärungstheorien

III.     Schluss- Extremismus durch wirtschaftlichen Abschwung


I.           Einleitung


Nach Aussagen Marine Le Pens, der Parteivorsitzenden des Front National, sind Muslime „eine Okkupation, die immer mehr Städte in Frankreich betrifft“[1]. Rechtsextreme Meinungen wie diese erhielten vor allem in der Europawahl 2014 viel Unterstützung in Frankreich und es ist zu klären woran das liegen könnte.

Seit sich 2007 die ersten Anzeichen der folgenden globalen Wirtschaftskrise bemerkbar machten, erforschen Expertengruppen, Institute und Ministerien[2] die Auswirkungen, der zyklusartig auftretenden wirtschaftlichen Rezessionen und Depressionen. Neben der Griechenlandschuldenkrise, welche die internationalen Medien lange Zeit dominierte[3], spiegeln auch aktuelle Schlagzeilen wie „Wirtschaftskrise: Arbeitslosigkeit in Frankreich erreicht Rekordhöhe“[4] die große Bedeutung der Krise und ihrer Folgen wider.

Während der  Rückgang des Bruttoinlandsprodukts, die Staatsverschuldung und die steigende Arbeitslosigkeit meist schnell spürbar sind und des Öfteren als Hauptfolgen der Krise betitelt werden[5], treten andere Krisenauswirkungen weniger in den Fokus der Öffentlichkeit. Dies gilt auch für den Rechtsextremismus als Konsequenz der oben genannten Hauptfolgen.  Es erschienen zwar schon 2008 Artikel, wie „Rechtsextremismus: Braune Krisen-Ritter“[6], die den Vergleich zur Weltwirtschaftskrise von 1929 und dem Erstarken der extremen Rechten aufzeigten.

Viel öffentliche Aufmerksamkeit erhielt das Thema jedoch erst nach jüngeren Wahlsiegen der rechten Parteien Europas. So erschreckte insbesondere die Europawahl 2014, aus der, der als rechtspopulistisch geltende Front National, mit 19% Stimmenzuwachs als stärkste Partei Frankreichs hervorging[7]. Die akute Brisanz der Thematik Rechtsextremismus zeigt sich besonders in dem Erstarken der als rechts geltenden Parteien, in einem von der Wirtschaftskrise  noch sehr geschwächten Europa.

Die vorliegende Arbeit soll die Frage klären, inwiefern wirtschaftliche Faktoren einen Einfluss auf den Stimmgewinn des Front National in Frankreich hatten. Diese Fragestellung anhand des Fallbeispiels ist in vielen Punkten betrachtungswert. Zum einen, da ungewiss ist welche weiteren wirtschaftlichen Belastungen die Flüchtlingskrise für Europa mit sich bringt. Zum anderen, weil der FN schon als größter rechtsextremer Einfluss Europas betitelt wurde[8] und die Ursachen ungeklärt sind.

Der Aufbau der Hausarbeit wird im Folgenden geschildert werden. Der Hauptteil gliedert sich in den theoretischen und in den empirischen Teil. Im theoretischen Teil soll zunächst der Begriff der Wirtschaftskrise geklärt werden, um daraufhin auf Folgen eben dieser einzugehen. Des Weiteren wird der Begriff des Rechtsextremismus erläutert und der europäische Rechtsextremismus thematisiert.

Daraufhin wird auf den Forschungsstand, sowie die Erklärungsansätze dieses Phänomens eingegangen. Anschließend versucht der empirische Teil, in Bezug auf die erläuterten Begriffe und Theorien, die Forschungsfrage zu beantworten.  Dazu wird zuerst der Front National dargestellt, bevor dieser in Zusammenhang mit der französischen Wirtschaft gesetzt wird und schließlich versucht wird die Entwicklungen und Zusammenhänge anhand der Erklärungstheorien zu erläutern.

II.        Hauptteil

A.   Theoretischer Teil

1.    Wirtschaftskrise

a)    Definition

Der deutsche Historiker Werner Plumpe zählt Wirtschaftskrisen zu den „wiederkehrenden, prägenden Ereignissen der Geschichte“[9], welche in ihrem Ausmaß nicht allein wirtschaftliche, sondern auch politische und soziale Folgen nach sich ziehen können[10]. In Bezug auf die Hausarbeit wird der Ausdruck Wirtschaftskrise aus Sicht der modernen Volkswirtschaft[11] definiert.

So spricht man von einer ökonomischen Krise als einer „lang andauernden Störung der wirtschaftlichen Entwicklung“[12], sowie „einer deutlich schlechten Entwicklung des Wirtschaftswachstums“[13]. Diese Krisen lassen sich in drei Phasen der Konjunktur[14], welche das gesamtwirtschaftliche Wachstum darstellt, gliedern. Die erste Phase ist die der Stagnation, in welcher die Wirtschaft nicht wächst und das Bruttoinlandprodukt stagniert[15].

Die Phase der Rezession bezeichnet den Zeitraum, wenn das Wirtschaftswachstum nach der Stagnation zurückgeht. Dieser Rückgang des Bruttoinlandprodukts findet mindestens über zwei Quartale statt[16]. In der dritten Phase, der sogenannten Depression, spricht man von einer lang anhaltenden Rezession. Das heißt, einem deutlich sichtbaren, lang anhaltenden Rückgang des Wirtschaftswachstums.

Welche  Folgen diese Phasen mit sich ziehen, soll im Folgenden geklärt werden.

b)    Generelle Folgen und weitere Auswirkungen der Wirtschaftskrisen

Wirtschaftskrisen sind in ihren Ursachen und Konsequenzen[17] sehr unterschiedlich[18]. Die Krisen der Moderne weisen aufgrund von Globalisierung, Interpretationen und wirtschafts- und sozialpolitische Reaktionen[19]weitreichende Wirkungen auf. So gibt es jene Auswirkungen, die man als Haupt- oder generelle Folgen bezeichnen kann.

Zu diesen zu zählen sind der Anstieg der Arbeitslosenquote, das Wachsen der Staatsverschuldung[20], sowie ein Einbruch der Wirtschaftsaktivität, oder auch der Rückgang des Bruttoinlandprodukts. Jene Konsequenzen treten je nach Krise, Land und Branche unterschiedlich schnell[21] und stark ein. Diese Auswirkungen können Auslöser für weitere Konsequenzen sein. So sind weitere Resultate beispielsweise, die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust[22], Unsicherheit angesichts der Nachrichten, Sparen wegen steigender Preise oder auch ein sozialer oder politischer Umschwung. Aufgrund dessen setzt oft, kaum scheint die Krise überstanden, die nächste Phase ein[23].  All diese Wirkungen zyklischer Depressionen können sich gegenseitig fördern und in einer Wechselwirkung zueinander stehen, die in Studien zur aktuellen Wirtschaftskrise[24] untersucht werden.

c)    Ökonomische Krisen der heutigen Zeit

Krisen und die damit verbundenen  Folgen können einzelne Bereiche, ganze Staaten, aber auch die ganze Welt betreffen. Ist letzteres der Fall, so spricht man von einer Weltwirtschaftskrise. Dieser fiel die letzten Jahre auch oft im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise von 2008, welche neben der Asienkrise von 1997 zu einer der aktuelleren  Krisen zu zählen ist[25].

Die Finanzkrise führt zu einer Vertrauenskrise der Banken, das wiederum zu einer verminderten Kreditvergabe und dazu, dass Investitionen aufgeschoben werden. Unternehmen, als auch einzelne Haushalte, beginnen zu sparen. Die Nachfrage nach Produkten sinkt, sowie die Produktionen selber. Fabriken schließen[28] und Arbeiter werden entlassen.  So leiden Länder, wie Griechenland, Spanien[29] oder auch Frankreich, bis heute unter einer hohen Arbeitslosigkeit, von der insbesondere die Jugend betroffen ist.

Während das Bruttoinlandsprodukt oft noch stagniert oder langsam wächst, steigt die Staatsverschuldung im Euroraum weiterhin[30]. In diesem Zusammenhang wird oft von der  Eurokrise gesprochen. Diese wird aus ökonomischer Sicht  primär als eine Schuldenkrise verstanden, welche die Finanz- und Wirtschaftskrise durch Konjunkturpakete der Länder für die Wirtschaft verstärkt hat[31].

2.    Rechtsextremismus

a)    Begriffsklärung

Obwohl sich der Begriff Rechtsextremismus zum Großteil in der Wissenschaft durchgesetzt hat, ist bis heute  keine einheitliche Definition von diesem vorhanden[32]. Zur Erklärung des Begriffs in Bezug auf die Thematik, wird auf den Politikwissenschaftler Christoph Butterwege verwiesen, welcher den Rechtsextremismus „als eine Sammelbezeichnung für politische Organisationen, Gruppierungen und Parteien, aber auch Strömungen, Bewegungen und Bestrebungen außerhalb solcher Zusammenschlüsse[33]“, die sich durch antidemokratische Ideologien, kennzeichnen[34].

Die Ideologien gehen von rassisch, ethnisch bedingter Ungleichheit aus, welche sich durch eine von der „gültigen Standartnorm abweichenden Minderheit[35]“ kennzeichnet. Ziel ist es jene Minderheiten auszugrenzen oder auszurotten und Kräfte zu schwächen, die diesen mehr Möglichkeiten zur Teilhabe an der  Demokratie, Integration und gesellschaftlicher Emanzipation bieten[36].

Hinsichtlich der Thematik ist auf den Rechtspopulismus zu verweisen,  der eine politische Strategie bzw. Kommunikationsform[37] darstellt.  Der Rechtspopulismus Westeuropas kann als Kennzeichnen von Rechtsextremismus gesehen werden[38].

b)     Rechtsextremismus in Europa

Für ein besseres Verständnis des Front National wird nachfolgend der Rechtsextremismus in Westeuropa betrachtet. Dieser ist aufgrund des unterschiedlichen Systemwandels[39] vom Rechtsextremismus Osteuropas zu unterscheiden. Er charakterisiert sich durch verschiedene staatenübergreifende Merkmale.

c)    Forschungsstand und ökonomische Erklärungstheorien

Seit Jahrzehnten setzt sich die empirische Sozialforschung dem Begriff des Rechtsextremismus, sowie seiner Thematik auseinander[47]. Zahlreiche Untersuchungen unterscheiden sich unter anderem durch Erkenntnisinteresse, sozialwissenschaftlicher Disziplin und Länderbetrachtung.

Aufgrund dieser Forschungsfülle und keiner einheitlichen Definition, ist eine genaue Übersicht über dessen Stand kaum möglich[48]. Als verbreiteter Schwerpunkt der Forschung sind Untersuchungen zu „rechtsextremen Erscheinungen, Ursachen und Gegenstrategien“[49] zu betrachten. Aufgrund dessen existiert eine Vielzahl von Erklärungsansätzen. Im Allgemeinen gilt, dass es nicht die eine Theorie zur Entstehung des Rechtsextremismus gibt.

Bestehende Erklärungsansätze klären meist nur Ursachen für einzelne Erscheinungsformen des Rechtsextremismus[50] , dennoch zeichnet sich ein Erfolg[51] ihrer, vor allem in Kombination, ab. Die Unterscheidung der Ansätze erfolgt nach Pfahl-Traughber, in psychologische, soziale und politische[52] und weiterer Differenzierung nach Stöss. Die psychologischen Erklärungstheorien beschäftigen sich primär mit individuellen und die sozialen mit den gesellschaftlichen Ursachen für Rechtsextremismus[53].

Die politischen Theorien betrachten Entstehung und Entwicklung, sowie Wählerzuwachs von Parteien[54]. Die Verortung der Theorien kann je nach Sichtweise unterschiedlich erfolgen, da oftmals Zusammenhänge und Überschneidungen bestehen.

Der psychologische Erklärungsansatz greift die Persönlichkeit des Individuums auf, welche nach wissenschaftlicher Ansicht den Menschen zu großen Teilen ausmacht[55]. Besonders bekannt ist der Ansatz des autoritären Charakters von Adorno. Er ging davon aus, dass die Erziehung und ökonomische, sowie soziale Faktoren der Umwelt eines Kindes, die Entwicklung einer autoritären Persönlichkeitsstruktur besonders prägen[56].Dieses  Konzept wurde unter anderem von Oesterreich neu begründet, welcher sich zu einer autoritären Reaktion als „habitualisierte Bereitschaft, in Krisensituationen mit einer Flucht in den Schutz von Sicherheit bietenden Instanzen zu reagieren“[57], äußert.

Unter dieser Unzufriedenheit versteht Stöss „frustrierende soziale Erfahrungen, die einen Vertrauensverlust in die bestehende Ordnung, Protest, Verweigerung, Opposition und Widerstand hervorrufen“[60], die aus relativer Deprivation hervorgehen können.

Die Deprivationstheorie ist als gesellschaftliche Untersuchung insbesondere bei den sozialen Forschungen anzusiedeln. Unter relativer Deprivation versteht man die Enttäuschung über die Diskrepanz zwischen dem gewünschtem Soll-Zustand und dem Ist-Zustand[61].  Ihr liegt ein Vergleichsprozess vom Individuum selbst, oder seiner Eigengruppe zu einer Fremdgruppe zugrunde[62].

So meint relative Deprivation subjektiv, oder objektiv[63] gesehene Ungleichgewichte in der Entwicklung oder Zukunftserwartung, von beispielsweise unterschiedlichen Regionen und Gruppen[64]. So gesehen kann es Modernisierungsgewinner und Modernisierungsverlierer geben. Als weiterer sozialer Erklärungsversuch gilt der Privilegienverlust, welcher auch durch Modernisierungsprozesse begünstigt und verursacht werden kann.

Ausschlaggebend ist hier der Gedanke der Angst durch Systemwandel, Globalisierung und weiteren Veränderungen, als ehemals durchaus privilegierte Gruppe, an Vorrechten zu verlieren. Im engen Zusammenhang mit dieser These steht der Wohlstandschauvinismus[65]. So versteht man unter diesem Chauvinismus, das Recht der eigenen Nation auf den Wohlstand des Landes und verlangt, wie oben bereits erwähnt, die Abkehr zu einem Wohlfahrstaat.

B.   Empirische Teil- Fallbeispiel Front National

1.    Front National

Die rechtsextremen Parteien Europas sind ein bis heute gegenwärtiges Phänomen. Aufgrund des zu beobachtenden Wiedererstarkens[67] und dem Versuch der Fraktionsbildung von EU-Gegnern[68] geraten sie immer öfter in den wissenschaftlichen Fokus. Aktuell insbesondere der Front National aufgrund jüngster Wahlsiege.

Der 1972 gegründete FN hat seinen Ursprung in „nationalistischen und antiparlamentarischen Organisationen“[69]der 50er Jahre. In Anbetracht der Fragestellung sind speziell Entwicklungen bedeutend, welche in den Zeitraum der Wirtschaftskrise ab 2007 fallen. Wie der Vorsitz- oder auch Generationenwechsel des Front National. So war bis 2011 der Parteienmitbegründer Jean-Marie Le Pen an der Spitze.

Anstatt Machtbestrebungen, werden ihm Bestrebungen nach starker Medienpräsenz und der Rolle als Unruhestifter unterstellt[70]. Während Jean-Marie Le Pen durch antisemitische und rassistische Kommentare auffiel, öffnete sich die Partei unter seiner Tochter Marine Le Pen hin zur Demokratie und Laizismus[71]. Doch spricht man von derselben Programmatik in unterschiedlicher Verpackung[72].

Dabei wird die Ansicht vertreten, dass Globalisierung, EU-Politik und Immigration wirtschaftliche und soziale Probleme verursacht haben[75] und gegen die etablierten Parteien[76] gehetzt. So setzt der FN die Begriffe Identität, Souveränität und Sicherheit in Szene[77].  Resultierend aus den Hauptzielen des Front National sind detailliert Absichten wie die Begrenzung der Einwanderung[78], das Aufrüsten in puncto Verteidigung[79], sowie Vorrang des nationalen Rechts gegenüber des EU-Rechts[80] im Programm festgehalten.

Es gilt, durch veränderte Ausdrucksweise, die Einstufung des Front National als rechtsextrem zu unterbinden. Wie die veränderte Ausdrucksweise von „die nationale Bevorzugung“ zu „nationalen Priorität“[81] zeigt. Jedoch werden anhand Programmatik und Äußerungen Kennzeichen des Rechtsextremismus deutlich, wie beispielsweise der Nationalismus gegen die europäische Integration, der Antiislamismus versteckt in Laizismus, oder auch die Anti-Establishment-Haltung[82] gegenüber den Etablierten, deutlich.

Als Hauptwähler der Partei gilt mittlerweile die junge Generation[85], die Arbeiterschaft[86], sowie mittelständische Unternehmen. Doch der Zuwachs steigt auch bei den besser Situierten. Bei den Präsidentschaftswahlen sollen 20% der Firmenchefs den FN gewählt haben[87]. Viele Wähler des Front National gehören den ländlichen Gegenden an und fühlen sich von den Politikern vergessen, die insbesondere städtische Probleme aufgreifen[88].

2.    Französische Wirtschaft und der FN

Die französische Wirtschaft gilt als eine der größten Volkswirtschaften der Welt und stellt ein wichtiges europäisches Industrieland dar[89]. Während Frankreich die Wirtschaftskrise anfangs im Gegensatz zu anderen gut abfedern konnte, spricht man seit geraumer Zeit von einem an der Wirtschaftskrise erkrankten, schwachen Frankreich[90].

Die Staatsverschuldung in der Eurokrise stieg nach Ausbruch der Finanzkrise bis 2014 von 65% auf 94%. Die Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs sinkt aufgrund von zu teuren Preisen im internationalen Vergleich. Die einst starke Automobilindustrie produzierte 2014 50% weniger Autos als noch 2005[91]. Die Desindustrialisierung Frankreichs setzt sich fort, die Industrie, insbesondere das verarbeitende Gewerbe, schrumpft, Investitionen sinken und der Pessimismus steigt[92].

Dieser stagnierenden[97] Wirtschaft, die so viel Potenzial hätte, steht der Front National gegenüber, dessen Anhängerschaft immer weiter wächst. Verantwortlich gemacht werden Europa und der starke Euro, sowie die unkontrollierte Globalisierung. Die Schuld liegt aber auch bei den etablierten Parteien unter Sarkozy und Hollande, die teure sinnlose Beschäftigungspolitik betrieben und keine Wirtschaftsreformen umsetzten, um die Wirtschaft zu stabilisieren[98].

Unterstützt werden soll die Reindustrialisierung, speziell die mittelständischen Unternehmen[99] und die Landwirtschaft[100], sowie auch die Bevorzugung der französischen Staatsbürgerschaft in Bezug auf den Arbeitsplatz. Wichtig stellt sich im wirtschaftlichen Zusammenhang auch der Wille des Front National dar, die Immigration zu begrenzen.  Einwanderung gilt als Waffe des Großkapitals, welche Löhne und soziale Rechte der Franzosen belastet.

Das soll die Begrenzung verhindern und die durch Immigration entstehenden Kosten für den Staat begrenzen[101]. Inwiefern wirtschaftliche Folgen und die Wahlerfolge des Front National korrelieren, sollen die Erklärungstheorien im Anschluss klären.

Im Folgenden wird sich an der Struktur und Erklärungsansätzen des  theoretischen Kapitels zu ökonomischen Erklärungstheorien orientiert, um wirtschaftliche Faktoren in Verbindung mit dem Stimmgewinn des Front National zu bringen. Ausgehend von Adornos Studie zu autoritären Persönlichkeiten und der Weiterentwicklung seines Ansatzes lässt sich die Wirtschaftskrise mit ihren Folgen, als einen Auslöser für den Stimmgewinn des Front National sehen.

Folgen wie Unsicherheit, Zukunftsangst oder auch Arbeitsplatzverlust verbreiteten sich  durch Medien, Politiker und Alltagserlebnisse rasant. Die damit einhergehende Frustration und der Unmut führten zu einer Suche nach den Schuldigen. Schnell wurden die etablierten Parteien als Schuldige erfasst. So schlug spätestens 2009 die Stimmung im Land unter der Regierung Sarkozys um[102].

Und nun da sich auch 2015 keines von Hollandes Versprechen, wie das Vermindern der hohen Jugendarbeitslosigkeit zeigt, erfüllt, ist von wachsender Angst und Unmut auszugehen.  So könnte man den Stimmgewinn des FN als Flucht in eine stark erscheinende Instanz sehen. Denn der Front National präsentiert sich als starke, schutzbietende Partei und greift den Unmut  des Volkes gegen die gescheiterten etablierten Parteien[103] auf.

Gerade in diesem Alter ist davon auszugehen, dass das Selbstbewusstsein leidet und die Persönlichkeit noch nicht gefestigt ist. Das bietet eine Erklärung für den hohen Stimmanteil der Jungen, die sich in den  34% der Wählerstimmen von den 18 bis 30 jährigen in den Regionalwahlen 2015 wiederspiegelt[106].  Die oben  genannten Faktoren, die zur Reaktion zum FN hin führen, lassen sich zusammenfassen als soziale Unzufriedenheit, welche rechtsextremistische Einstellungen fördern kann.

Diese Unzufriedenheit wächst durch Faktoren, wie Arbeitslosigkeit oder auch sozialem Ausschluss, welche das Sozialleben bestimmen. Die Bedeutung der Arbeit für Menschen wird in einer Umfrage des Forschungsinstituts ifpof 2013 deutlich, in der 89% den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit[107] als oberste Priorität angaben. Ein Beispiel für die soziale Unzufriedenheit stellen die ländlichen Gegenden und periurbanen Orte[108] dar, welche von Armut und Arbeitslosigkeit stärker gekennzeichnet sind[109].

Firmen, welche Güter produzieren und Arbeitsplätze schaffen und die Wirtschaft ankurbeln sind hier stark unterpräsentiert[110]. Dort wird Geld benötigt, um Zugang zu Arbeit und weiteren sozialen Lebenswelten zu ermöglichen. Ein Ergebnis dieser Unzufriedenheit zeigt sich in Wählerstimmen von 27% im eher ländlichen Département Vaucluse, welches von massiver Desindustrialisierung, Abgeschnittenheit und sozialen Missständen[111]  geprägt ist.

Die soziale Unzufriedenheit kann auch auf relativer Deprivation beruhen, die ebenfalls als Erklärungsansatz für den Stimmgewinn des FN gesehen werden könnte. So sind die Franzosen enttäuscht von dem Missverhältnis zwischen der wirtschaftlichen Lage,  wie auch ihren individuellen sozialen Lagen und dem was gewünscht und auch erwartet wurde.  Diese Enttäuschung basiert auf einem Vergleich.

Da liegt der Vergleich zum Nachbarland mit niedriger Arbeitslosenquote, stabiler Wirtschaftslage und einer  mächtigen Kanzlerin Nahe[112]. Oder aber auch ein Vergleich des Individuums oder der Eigengruppe zu einer Fremdgruppe. Als Eskalation einer solchen Deprivation, könnte der Streit bei Air France gesehen werden, als Angestellte aufgrund von Sparmaßnahmen, auf die Manager losgingen[113].

Diese Vergleiche und Enttäuschungen aufgrund des Istzustands wurden durch die Wirtschaftskrise verstärkt.  Diese verursachte durch Pleiten und Kürzungen wie bei Air France, sowie Kürzungen der Sozialleistungen durch den Staat und weiteren subjektiv oder objektiv gesehenen Missständen die relative Deprivation. So auch der Vergleich zu denen, welchen es besser geht, wie beispielsweise Deutschland.


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